Zwischen Alarmismus und Ignoranz

  • 25.10.2013, 23:24

Zur Rezeption des tatsächlichen und angeblichen Rechtsruckes. Ein Kommentar von Andreas Peham (DÖW) über die Reaktionen nach den letzten Nationalratswahlen.

Zur Rezeption des tatsächlichen und angeblichen Rechtsruckes. Ein Kommentar von Andreas Peham.

Aus einem lauen Nationalratswahlkampf, in dem sich weder die Medien noch die konkurrierenden politischen Kräfte für die Chronique scandaleuse der FPÖ interessierten und radikale Linke kaum mehr protestierend intervenierten, ging die parteiförmige extreme Rechte wenig überraschend als strahlende Siegerin hervor. Jedoch war ihr Erfolg nicht so groß, wie manche glauben machen wollen. Die FPÖ wurde nicht zweitstärkste Kraft und erlitt in ihrem Hauptzielgebiet Wien sogar Stimmenverluste. Gemeinsam mit dem BZÖ haben die Freiheitlichen im Vergleich zu den Wahlen 2008 bundesweit gar mehr als 100.000 Stimmen verloren. Dass sich Heinz-Christian Strache dennoch in Siegerpose wirft, gehört zu seinem politischen Geschäft. Rechtsextremismus und autoritärer Populismus brauchen Stärke, ja Unbesiegbarkeit, um erfolgreich zu sein. Ähnliches gilt für eine Medienindustrie, die ihr gutes Geschäft vor allem mit schlechten Neuigkeiten und Übertreibungen macht. Aber warum stimmten nach den Wahlen auch Linke in den Chor vom Rechtsruck ein?

Rechte Normalisierung. Sicher, dieser Rechtsruck ist durchaus österreichische und europäische Realität, aber er erschöpft sich bei Weitem nicht in Wahlerfolgen extrem rechter und autoritär-populistischer Parteien. Als gesamtgesellschaftliches Phänomen macht er vor den anderen Parteien nicht halt. Er drückt sich auf verschiedensten Ebenen aus: vom Abbau der Demokratie und des Sozialstaates über den Ausbau des Überwachungsund Sicherheitsstaates bis hin zur Flüchtlingspolitik. Die ausschließliche Fixierung auf die rechten Übertreiber_innen des herrschenden Konsens’ hilft (unfreiwillig), ihn abzusichern. Allzu oft verschweigen diejenigen den institutionellen Rassismus und „autoritären Wettbewerbsetatismus“ (Lukas Oberndorfer), die über den Rechtsextremismus reden. Zudem zeigt ein genauerer Blick, dass rechtsextreme und autoritär-populistische Parteien zuletzt nur in Schweden, Finnland, Frankreich, Kroatien, Ungarn und Griechenland merklich zulegen konnten. Und in bescheidenerem Maße als allerorts beklagt oder gefeiert eben in Österreich, wo sich die FPÖ seit 2005 wieder im Aufwind befindet.

Mehr als der Alarmismus ist hierzulande aber die Normalisierung des Rechtsextremismus zu kritisieren. Kaum jemand in Politik und Medien wagt es heute noch, die FPÖ als das zu bezeichnen, was sie ist: rechtsextrem. Dabei antwortete erst unlängst der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner auf die Frage, warum „die nationalsozialistische Ideologie für freiheitliche Funktionäre so attraktiv“ sei, dass es in der FPÖ „tatsächlich ein Problem“ gebe, dem „man sich stellen“ müsse: „Jede Partei hat einen Narrensaum. Bei uns schaut man natürlich – auch zu Recht – mit Argusaugen auf diesen Rechtsaußenrand. Ich gebe das offen zu, wir haben da ein Problem.“ Die Tatsache, dass der Rechtsruck der FPÖ unter Strache mittlerweile auch im neuen Parteiprogramm als Wiedereinführung des Bekenntnisses zur „deutschen Volksgemeinschaft“ Niederschlag gefunden hat, konnte die Bereitschaft zur inhaltlichen Kritik an den Freiheitlichen aber ebenfalls nicht vergrößern. Darin zeigt sich, wie problematisch es war, die Ablehnung der FPÖ fast ausschließlich an der Person Jörg Haiders und seinen NS-Verstrickungen festzumachen.

Enttabuisierung. Im Juni meinte der Verteidiger zweier Neonazis, die sich gerade in Salzburg vor Gericht verantworten mussten, über die Hintergründe der Fanatisierung seiner Mandanten, deren „Quelle“ sei eine „latente Ausländerfeindlichkeit“. „Wenn sie von einer legalen Partei zum Stimmenfang benutzt wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Burschen nichts dabei finden, sie zur Schau zu tragen.“ Der Skandal hetzerischer freiheitlicher Agitation wird heute jedoch nur mehr selten offen angesprochen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas kritisierte jüngst an der FPÖ lediglich, dass sie „eine Risikopartei“ sei, die „Zick-Zack-Kurse“ fahre und „für nichts“ stehe. Diese Ignoranz gegenüber den politischen Inhalten der FPÖ macht es so schwer, ihre anhaltende „Ausgrenzung“ zu argumentieren. Als Argument für die Abgrenzung bleibt dann neben der Unberechenbarkeit nur die „antieuropäische“ Haltung der FPÖ. Und so hat sich die SPÖ-Spitze die, vor allem von gewerkschaftlicher Seite betriebene, Enttabuisierung der Zusammenarbeit mit der FPÖ selbst zuzuschreiben.

Weil offenbar die Wahrheit auch eine Tochter der räumlichen Distanz ist, wird die FPÖ heute nur mehr im Ausland als Problem gesehen. Zuletzt war es die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Flagschiff des deutschen Konservativismus, die schrieb, was in Österreich fast niemand (mehr) sagen will: Dass die FPÖ eine extrem rechte Partei „mit Personal aus der Neonazi-Szene“ ist und dass eine Mischung aus „Abstumpfung“ und „Ignoranz“ auch und vor allem der politischen Konkurrenz eine derartige Erkenntnis in Österreich verhindert. Tatsächlich wurde nach den Wahlen von Teilen der SPÖ (und ÖVP) betont, wie nahe man der FPÖ eigentlich sei. Diese bekundete Übereinstimmung in zentralen Politikbereichen ist ein weiterer Ausdruck des umfassenden Rechtsruckes und dessen Normalisierung, die in ihrer Bedeutung für die Erfolge des parteiförmigen Rechtsextremismus gar nicht überschätzt werden kann.

 

Andreas Peham ist Mitarbeiter beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widestandes (DÖW) und forscht zum Thema Rechtsextremismus.

AutorInnen: Andreas Peham