Von giftigen Handtüchern und recycelten Festplatten

  • 23.04.2015, 13:22

Der Zeitgeist wohnt in unseren Rennrädern, Windturbinen und Glasfaserkabeln – in Form der Metalle der Seltenen Erden. Diese sind Ausgangspunkt für die Ausstellung „Rare Earth“ in der TBA21 im Wiener Augarten, deren wenig kritische Umsetzung am Anspruch des brisanten Themas scheitert.

Der Zeitgeist wohnt in unseren Rennrädern, Windturbinen und Glasfaserkabeln – in Form der Metalle der Seltenen Erden. Diese sind Ausgangspunkt für die Ausstellung „Rare Earth“ in der TBA21 im Wiener Augarten, deren wenig kritische Umsetzung am Anspruch des brisanten Themas scheitert.

Sie klingen wie die Götter in einem Science-Fiction-Roman. Scandium, Yttrium, Cer, Promethium oder Europium. Dabei stammen die Metalle der Seltenen Erden ganz und gar nicht aus einem phantastischen Himmel, sondern aus den unwirtlichen Tiefen der Erde, zutage gefördert von Schwerstarbeiter_innen in China, Indien oder dem Kongo. Allzu weit hergeholt erscheint der göttliche Vergleich nicht, ist ein Alltag ohne die sogenannten Seltenen Erden – als integrale Bestandteile von LCD-Bildschirmen, DVDs, Elektromotoren oder Röntgentechnik – heute kaum mehr vorstellbar.

DIE EPOCHE DER SELTENEN ERDEN. 17 Elemente des Periodensystems zählen zu jenen raren Metallen – ebenso viele Beiträge versammelt die Ausstellung in der TBA21. Für die Kuratoren Boris Ondreička und Nadim Samman bilden die Seltenen Erden die elementare Basis unserer Epoche, nehmen einen ähnlichen Stellenwert ein wie ur-einst Stein, Bronze und Eisen. Mit dem Auftrag, den „zeitgenössischen Geist“ anhand seiner materiellen Grundlage zu untersuchen, wurden zehn der präsentierten Arbeiten eigens für die Schau produziert. Hochkomplexe Gebilde stehen einfachen Installationen gegenüber, deren Spektrum zwischen abstrakt-kryptisch und didaktisch-banal zwar weit über das Thema hinausreicht, aber kaum auf einen spannenden und damit kritischen Punkt kommt.

SINGENDE STALAGMITEN UND TECHNOMÜLL. Arseniy Zhilaev gruppiert in einer Vitrine Werkzeuge und Waffen verschiedener Epochen: die Eisenschwerter der Sklaven, die Mistgabeln der Bauern, die Pflastersteine der Proletarier und die Mobiltelefone des Prekariats. Der kurzlebige Clou an der gegenüber platzierten mineralen Form aus recycelten Metallen und dem Haufen zerlegter Festplatten: Sie wurden vom Künstlerduo Revital Cohen und Tuur van Balen eigenhändig zerlegt, anstatt von Tagelöhnern in Konfliktzonen. Eindringlicher sind Ai Weiweis weiße Handtücher, bestickt mit fluoreszierendem, Europium enthaltendem Garn – westlicher Komfort gespeist aus Chinas Raubbau. Gar höchst spektakulär ist Marguerite Humeaus Rauminstallation, die mit Hilfe der magnetischen Eigenschaften von Erbium und eines Neodym-Verstärkers die Stimmen einer stalagmit-förmigen Wachsskulptur, Mineralien und Flammen inszeniert. Zumindest hier wird die Frage übertönt, was das ganze eigentlich soll.

„Rare Earth“
Kuratoren: Boris Ondreička und Nadim Samman
TBA21-Augarten Wien
bis 31.5.2015

 

Flora Schausberger studiert Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien.

 

AutorInnen: Flora Schausberger