Studienzeitverzögerung

  • 13.07.2012, 18:18

Unverschuldete Verzögerungen im Studium stehen für sehr viele StudentInnen an der Tagesordnung. Ein Musterprozess der ÖH hat nun einen Entscheid hervorgebracht der bestätigt, dass das nicht passieren darf – wir rufen zur Massenklage auf.

Unverschuldete Verzögerungen im Studium stehen für sehr viele StudentInnen an der Tagesordnung. Ein Musterprozess der ÖH hat nun einen Entscheid hervorgebracht der bestätigt, dass das nicht passieren darf – wir rufen zur Massenklage auf.

Wer kennt es nicht – das Zittern zu Semesterbeginn, das sekundengenaue Einloggen in Online-Systeme beim Start der Lehrveranstaltungsanmeldung in der Hoffnung, zumindest ein paar der fehlenden Seminare zu ergattern. Doch wir haben oft Pech – und wieder heißt es ein Semester warten bis zur nächsten Chance. Der Mangel an Lehrveranstaltungsplätzen und die verschulte Struktur unserer Curricula verunmöglichen es uns oft, in der vorgesehenen Zeit zu studieren. Eigentlich haben wir aber ein Recht auf ein Studium in Mindestzeit. §54 Abs 8 des Universitätsgesetzes sieht vor, dass Studierenden keine Studienzeitverzögerung erwachsen darf und die Uni entsprechend viele Parallellehrveranstaltungen zu organisieren hat. Da sie das oft nicht tut, hat die ÖH-Bundesvertretung einen entsprechenden Fall eingeklagt. Dabei musste ein Medizinstudent der MedUni Graz lange Wartezeiten in Kauf nehmen, weil er trotz Erfüllung der Anmeldungsvoraussetzungen keinen Lehrveranstaltungsplatz erhalten hatte. Er klagte auf Schadensersatz, verlor in erster und zweiter Instanz – doch der Oberste Gerichtshof traf nun einen anderen Beschluss: Was im Gesetz steht, stimmt, Studierende dürfen keine Studienzeitverzögerungen erleiden – auch wenn es sich nur um ein paar Wochen handelt. Deshalb kann der Grazer Student nun seinen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. Die einzige Einschränkung, die der OGH trifft, sind „massive wirtschaftliche Gründe“ die es der Uni verunmöglichen genügend Lehrveranstaltungen anzubieten – ein Umstand, der bei einzelnen Lehrveranstaltungen in den seltensten Fällen argumentierbar sein wird. Die Universitäten sind also dazu verpflichtet, das entsprechende Lehrangebot zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist allerdings wie sie das anstellen sollen.

Schwarze Chaospolitik. Die österreichischen Hochschulen sind seit Jahrzehnten chronisch unterfinanziert und weder das Finanzministerium noch das Wissenschaftsministerium tun etwas dagegen. Der Wissenschaftsministerin Karl fällt es wohl schwer gegen ihren Parteifreund Josef Pröll anzutreten und mehr Geld aus dem Bundesbudget zu fordern. Ganz im Gegenteil. Anstatt das Hochschulbudget wie versprochen bis 2020 auf zwei Prozent zu erhöhen, müssen die Universitäten von 2011 bis 2014 weitere 322 Millionen Euro einsparen. Diese Einsparungen bedeuten womöglich den Kollaps für unsere Unis. Die Studierenden haben zwar das Recht auf ein zügiges Fortkommen im Studium, die Universitäten allerdings nicht das Geld, genügend Lehrveranstaltungen anzubieten. Die verlorenen Beihilfen, Stipendien, Verdienstentgänge usw., die nun zu Recht von Studierenden eingeklagt werden, hätten besser gleich in die Universitäten investiert werden sollen.

Bologna und STOP. Studienzeitverzögerungen haben in den letzten Jahren, seit der Umstellung der Curricula auf die Bologna-Struktur, stark zugenommen. In der völlig fehlgeleiteten österreichischen Umsetzung haben die Curricula-Kommissionen die Studienpläne sehr stark verschult und viele Voraussetzungsketten eingebaut: Bevor Lehrveranstaltung x nicht absolviert wurde, darf die Lehrveranstaltung y nicht besucht werden. Dass das Universitätsgesetz 2002 vorsieht, dass solche Sequenzierungen nur dann erlaubt sind, wenn sie inhaltlich zwingend notwendig sind wurde meist ignoriert. Und so kommt es, dass zum Beispiel zuerst das Fach Statistik gemacht werden muss, bevor die Einführung in die österreichische Politik belegt werden darf. Der Hintergrund dazu ist, dass die Grundhaltung gegenüber Studierenden sehr negativ ist und ProfessorInnen der Meinung sind, sie müssten den Studierenden genau vorgeben in welcher Reihenfolge sie studieren sollen. Dass Studierende selbstbestimmt entscheiden können, welche Lehrveranstaltung  sie sich wann zumuten wird ihnen abgesprochen. Deshalb wurden auch freie Wahlfächer gestrichen und Studienpläne gleichen eher Stundenplänen. Inflexible Studien und die entsprechenden Verzögerungen sind die Folge.
Doch wenn es nach Ministerin Karl geht, soll es noch schlimmer kommen: Sie will die Studieneingangsphasen
noch strenger gestalten und sie zur Selektion nutzen. Die STEP, STEOP oder (wohl am treffendsten) STOP soll verschärft, keine Lehrveranstaltungen mehr vorgezogen werden dürfen. Das bedeutet noch mehr Studienzeitverzögerungen – und noch mehr Klagen.

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INFO

Du bist von Studienzeitverzögerung betroffen?

Damit Dein Fall in Frage kommt, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  1. Das Curriculum muss eine Lehrveranstaltung mit beschränkter TeilnehmerInnenzahl vorsehen (meist Veranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter wie Seminare).
  2. Du hast trotz Erfüllung der formellen Teilnahmevoraussetzungen vor Ende der Anmeldefrist keinen Platz in dieser Lehrveranstaltung erhalten.
  3. Dir entsteht dadurch eine Studienzeitverzögerung, welche auch nicht durch Umschichtungen wie zum Beispiel durch Vorziehen anderer Lehrveranstaltungen aufgeholt werden kann.
  4. Es wurden keine Parallellehrveranstaltungen angeboten, die eine Studienzeitverzögerung verhindern hätte können.
  5. Durch die Verlängerung des Studiums drohen Dir materielle Schäden wie zum Beispiel Verdienstentgang bei späterem Berufseintritt, Verlust von Beihilfen, Kosten des Studiums (Studiengebühren), …

Unter www.oeh.ac.at/klage findest du ein Formular in das Du Deine Daten eintragen kannst. Wir prüfen dann Deinen Fall und melden uns bei Dir sobald wir wissen ob in Deinem Fall eine Klage möglich ist oder nicht.

 

AutorInnen: Sigrid Maurer, Thomas Wallerberger