Studentenfutter

  • 10.06.2014, 15:33

 

Für viele Studierende bietet das Mensaessen guten Grund sich zu mokieren. Dass leistbares Essen für Studierende wieder in den Bereich der Utopie abzudriften droht, zeigt sich an der zunehmenden Ökonomisierung der Mensen.

Das Konzept der Mensen, die leistbares Essen für alle anbieten sollen, hat sich an Europas Universitäten durchgesetzt. Die Idee ist gut: günstig essen in Gesellschaft anderer Studierender direkt an der Universität. Dass diese schöne Idee aber nicht immer der Praxis entspricht, wissen Studierende aus Erfahrung. Schmutziges Besteck, Essen, das immer nach Suppenwürfel schmeckt, egal was man auf dem Teller vor sich wiederfindet, und ein sich ständig wiederholender Speiseplan kommen in vielen Mensen vor. Darüber freuen sich zwar die studentischen Geschmacksknospen nicht, aber für Unterhaltung kann das Mensaessen schon einmal sorgen: Es wird evaluiert, ob das graue Letscho oder das vermeintliche Putenschnitzel den Contest der grauslichsten Speise gewinnt, spekuliert, was überhaupt der unbestimmbare grüne Quader sein soll, der aufgetischt wird, und geraten, in wie vielen Gerichten die Nudeln zuvor schon zu finden waren. Ein denkbar schlechtes Zeugnis. So gesehen, bleibt als positiver Aspekt wohl nur die Stärkung der Gemeinschaft übrig. In einer Zeit, in der es für viele Studierende finanziell düster aussieht, ist die Idee vom billigen Essen auf der Uni dennoch aktueller denn je. Studierende sind oft an das Essensangebot an der Hochschule gebunden, auch weil ihr stressiger Studienalltag nicht immer zulässt, Angebote außerhalb des Universitätsgebäudes zu nutzen.

Illustration eines Wiener Schnitzels mit einer Zitronenscheibe. Illustration: Christina Uhl

Einmal Menü 1 bitte. So geht es auch Lisa. Die 22-Jährige studiert Pharmazie an der Universität Innsbruck und geht regelmäßig in die Mensa im Café 80/82. Was sie dort mit einer Studierendenermäßigung zu einem Preis von 3,60 Euro zu essen kaufen kann, findet sie verhältnis- mäßig gut. Obwohl meist einfache Gerichte wie Wokgemüse, Nudeln, Ofenkartoffeln oder Salate angeboten werden und die Qualität des Essens von Woche zu Woche schwankt, isst sie oft dort: „Neben einem Weckerl aus dem Supermarkt ist die Mensa häufig die einzige Chance auf ein Mittages- sen.“ Besonders Studienrichtungen mit hoher Anwesenheitspflicht lassen es oft nicht zu, dass man gerade mittags etwas Warmes essen kann. Lange Laboreinheiten und dichte Stundenpläne schränken die Zeiten ein, in denen man sich in Ruhe dem Kochen und Essen widmen kann.

Das Café 80/82, in dem Lisa isst, ist einer von vielen Standorten der Österreichischen Mensen Betriebsges.m.b.H. Die anspruchsvolle Aufgabe der Ernährung von Studierenden in Österreich lag bis vor kurzem zum größten Teil in ihrer Hand. Die Österreichische Mensen Betriebsgesellschaft ist an Unis in allen Landeshauptstädten sowie an der Donau-Universität Krems, der Montanuniversität Leoben und der FH Joanneum in Kapfenberg vertreten. Der Betrieb ist Eigentum des Bundes, zuständig ist das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Gegründet wurde er mit dem Ziel, Studierenden günstiges Essen zu ermöglichen, dafür bekommt die Mensen Betriebsges.m.b.H. die Räumlichkeiten an den Unis gratis oder kos- tengünstig zur Verfügung gestellt. Seit zwei, drei Jahren können sich aber auch private Firmen für diese Aufträ- ge bewerben, was zur Folge hat, dass Betriebs- und Pachtkosten steigen. Die Mensen Betriebsgesellschaft, die nicht gewinnorientiert arbeitet, muss deshalb vermehrt aus zusätzlichen Quellen, wie Catering, Geld lukrieren, um die Mensen finanzieren zu können.

Der Geschäftsführer der Mensen Betriebsges.m.b.H., Gerhart Stadlbauer, ist sich der Änderung der Spielregeln bewusst. „Wir haben kein Monopol mehr, sondern stehen in einem Wettbewerb mit anderen Betrieben. Das ist gut so. Aber wir müssen unser Verhalten verändern.“ Um sich Ideen zu holen, besucht er auch die Konkurrenz, zum Beispiel die Mensa am neu- en Campus der WU Wien. Diese wird von der Cateringfirma Eurest, die sonst hauptsächlich Betriebskantinen wie jene von Siemens bewirtschaftet, betrieben. Die Mensen Betriebsges.m.b.H., die die Mensa am alten WU-Gelände geführt hatte, wurde bei der Neuausschreibung von Eurest überboten und verlor den Standort. Dass Eurest sich angesichts der hohen Investitions- und Pachtkosten halten könne, bezweifelt Stadlbauer. Trotzdem zeigt sich daran exemplarisch, dass die Mensen Betriebsgesellschaft zunehmend in Bedrängnis gerät, auch finanziell. Noch können Studierende Menüs um circa fünf Euro erwerben und Wassertrinken ist bis jetzt noch gratis, was in der Gastronomie, die von den Einnahmen aus Getränken lebt, keine Selbstverständlichkeit ist. Ob das angesichts der geänderten Rahmenbedingungen so bleiben kann, ist fraglich.

Illustration eines Brokkolis. Illustration: Christina Uhl

Essfertig in 8 Min. Viele Studierende weichen der Mensa jetzt schon aus und nehmen den Kochlöffel selbst in die Hand, auch weil ihnen das Mensamenü zu teuer und zu minderwertig ist. Selbst, wenn es eine zusätzliche Ermäßigung von 80 Cent mit dem Mensapickerl der ÖH gibt.

Sarah Lea studiert seit sechs Semestern Humanmedizin an der Medizinischen Universität in Innsbruck, in der Mensa war sie jedoch noch nie. Sie kennt den stressigen Studienalltag, trotzdem bemüht sie sich, ihr Essen selber zu kochen. Das oft überdurchschnittlich hohe Fleischangebot an der Mensa kommt ihr als Vegetarierin nicht entgegen. „Bei mir gibt es fast jeden Tag Gemüse. Mal mit Kartoffeln, mal mit Reis. Natürlich gibt es auch mal Nudeln, wenn es schnell gehen muss.“ Auf Fertiggerichte möchte sie aber nicht zurückgreifen. Was bedeutet, dass sie oft erst am Abend den Seziertisch gegen den Herd eintauscht, um sich zumindest eine warme Mahl- zeit am Tag zu kochen. In besonders intensiven Lernphasen kocht sie dann auch gern einmal vor.

Untertags machen viele andere Studierende gerne mal einen Abstecher in den nächsten Supermarkt. Das Weckerl aus der Feinkostabteilung stellt eine wesentliche Ernährungsgrundlage für viele Studierende dar. Wenn es aber etwas Warmes sein soll, weichen viele auf Gastronomiebetriebe in der Umgebung ihrer Universität aus.

Bitte die Rechnung. Die 21-jährige Katrin, Lehramtsstudentin an der Karl-Franzens-Universität in Graz, war von ihrem einmaligen Besuch in der Mensa am Sonnenfelsplatz nicht enttäuscht, zieht aber die Bierbaron- Kette, mit ihren fünf Betrieben in der näheren Umgebung der KFU und der TU, vor. „Ich bin ein Riesenfan der ,Bausatzmampferei’: superlecker und supergünstig.“ „Bausätze“ werden in diesen Lokalen Basisprodukte, wie Ofenkartoffeln, Pizza oder Toast, die individuell mit zusätzlichen Zutaten bestellt werden, genannt. Die gibt es zum Preis von drei bis sieben Euro von elf Uhr vormittags bis ein Uhr nachts. Die Kombination aus niedrigen Preisen, großen Portionen, langen Küchenzeiten, günstigen Standorten und breiter Auswahl macht Betriebe wie den Bierbaron für Studierende attraktiv. Die Geschäftskonzepte sind rein auf Studierende ausgerichtet und werfen soviel ab, dass solche Betriebe häufig expandieren und nachgeahmt werden.

Diese Beliebtheit kann man sich auch mit Stadlbauers Beobachtung erklären, dass Studierende zunehmend darauf Wert legen, dass ihr Essen individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Daran soll sich auch die Mensen Betriebsges.m.b.H. zukünftig orientieren. „Im Vergleich zu früher fordern die Studierenden mehr Kreativität in der Essenszubereitung und wollen keine Kelle von irgendwas, das satt macht, mehr. Immer öfter wird gesundes, veganes, vegetarisches und frisch gekochtes Essen gewünscht.“ Auch die Mensen gehen deshalb zunehmend weg von der klassischen Großküchenmensa und entwickeln sich eher in Richtung Normalgastronomie. Bis jetzt ist das Vakuum, das die Mensen Betriebsgesellschaft hinterlässt, eben vor allem für diese Normalgastronomie lukrativ.

Illustration eines Schnellimbissbox, gefüllt mit Nudeln. Illustration: Christina Uhl

Heute: Curry mit Tofu! Auch auf Studierende ausgerichtet, aber dennoch ganz anders macht es das selbstverwaltete Studierendenkollektiv im Tüwi neben der Universität für Bodenkultur. Das Tüwi ist für viele Studierende eine willkommene Alternative zu der dortigen Mensa, unter BOKU-Student_innen bekannt als die „Baracken“. Das Essen dort soll laut Michi, Student und Koch im Tüwi, katastrophal sein, weshalb mittlerweile durchschnittlich 80 Portionen Essen pro Tag im Tüwi verkauft werden. Er und andere haben vor ein paar Jahren angefangen, vegetarisches und veganes Essen zu kochen, um es zu einem niedrigen Preis zu verkaufen. Michi hält die Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten für besonders wichtig: „Wo wird gespart? Beim Essen. Aber Hauptsache ein cooles Leiberl anhaben.“ Besonders, was den Fleischkonsum betrifft, würde er sich ein Umdenken bei den Studierenden wünschen: Die Nachfrage nach Fleischgerichten sei noch immer sehr hoch. Dass qualitativ hochwertiges Essen leistbar bleibt, ist ein Grundanliegen des Tüwi-Kollektivs. Es trifft damit den Nerv der Zeit. Vielen Studierenden fehlt nicht der Wille, sich gut, gesund und nachhaltig zu ernähren; das Problem sind vielmehr finanzielle und zeitliche Barrieren.

Bestpreis: Clever Leberaufstrich um 0,65 €. Laut Studierenden-Sozialerhebung von 2012 steigt die Erwerbstätigkeit, während jedoch das Budget der Studierenden real sinkt. Die Kürzungen der Familien- und der Studienbeihilfe, steigende Lebensmittel- und Mietpreise sowie die zunehmende Berufstätigkeit von Studierenden verlangen auch nach einer Reflexion darüber, wie und zu welchem Preis sich Studierende ernähren.

Was Studierende tatsächlich essen und wie es in Folge um ihre Gesundheit bestellt ist, liegt bisher aber völlig im Dunkeln, denn es fehlt an Daten. Der vierte österreichische Ernährungsbericht (OEB) wurde 2012 veröffentlicht und dokumentiert und analysiert das Ernährungsverhalten und die Konsumgewohnheiten der Österreicher_innen. Über die spezifische Situation von Studierenden und ihre Essgewohnheiten erfährt man im Bericht allerdings nichts: Alle 18- bis 65-Jährigen werden dort, ungeachtet ihrer völlig unterschiedlichen Lebensrealitäten, in einen Topf geworfen. Dass es gerade unter den Erwachsenen eklatante Unterschiede, vor allem auch finanzieller Art gibt, wird dabei übersehen.

 

Marlene Brüggemann studiert Philosophie an der Universität Wien.

AutorInnen: Marlene Brüggemann