Sharing ist Caring

  • 16.06.2016, 13:32
Gemeinschaftlicher Konsum erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Vom geteilten Auto bis zum geteilten Gärtnern.

Gemeinschaftlicher Konsum erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Vom geteilten Auto bis zum geteilten Gärtnern.

Ob auf Frents oder Couchsurfing, ob Bohrmaschine oder Schlafsack, für so ziemlich alles finden sich Plattformen im Internet, wo geteilt und getauscht wird. Während die Massenproduktion unseren Alltag fest in der Hand hat, wächst an deren Rande eine immer größer werdende Community, die Interesse an Nachhaltigkeit hat.

Veronika und Leonie zählen zu diesen Menschen. Die beiden wohnten in Freiburg und suchten einen Garten zur Mitnutzung, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Da sie nicht die einzigen auf der Suche waren, überlegten sie, dass es doch auch Menschen geben müsste, die bei ihrer Gartenarbeit Hilfe gebrauchen könnten. Sei es aus zeitlichen Gründen oder, weil sie die Arbeit körperlich nicht mehr bewältigen können. So wurde das Projekt Gartenpaten geboren – eine Plattform für die gemeinschaftliche Gartennutzung im deutschsprachigen Raum. „Während in Deutschland gleich zu Beginn viele Anzeigen online gestellt wurden, zeigen sich die Österreicher_innen zurückhaltender,“ erzählt Leonie. Die meisten Mails und Zugriffe in Österreich kämen aus Wien. Dabei richtet sich Gartenpaten keineswegs nur an die urbane Bevölkerung.

JEDE_R KANN MITMACHEN. Laut den Initiatorinnen gibt es nicht die eine Zielgruppe, die Angebote und Gesuche seien unglaublich vielfältig. „Viele Gärten liegen brach, weil ihre Besitzer_innen nicht die Zeit oder die Kraft finden im Garten anzupacken. Auf der anderen Seite suchen immer mehr Menschen nach Anbauflächen oder grünen Freizeiträumen. Einige möchten ihre Gartenparadiese auch einfach anderen Personen zugänglich machen, ihr Wissen weitergeben oder Abnehmer_innen für reich tragende Obstbäume oder Hecken finden. Andere wiederum sind an Nachhaltigkeit und Effizienz interessiert und teilen ihre nicht ausgelasteten Geräte mit Menschen in der Umgebung“, so Leonie. Während es ein Stadtkind freut, dass ein Regenwurm ja gar nicht beißt, ist für einen anderen User das Tauschen eine Möglichkeit des Gebens und Nehmens. Die Heinrich- Böll-Stiftung rückt in einer Studie vor allem drei Zielgruppen in den Fokus des Gemeinnutzes: die Digital Natives, Menschen in Umbruchsphasen wie etwa durch einen Umzug, die Geburt eines Kindes oder der Eintritt ins Pensionsalter und die bereits eigentumslos Konsumierenden.

NETWORKING. Der Gedanke des Sharing ist durchaus nicht neu. Als das Geld nach dem Zweiten Weltkrieg knapp war, war Teilen eine Selbstverständlichkeit. Es wurden Fahrgemeinschaften ins Leben gerufen, Waschküchen und Gefrieranlagen geteilt und einzelne Geräte durch ganze Dörfer gereicht. Auch die Ökologiebewegung der 1970er agierte unter dem Motto „Nutzen statt Besitzen“. Jedoch war Kommunikation und Austausch nie so einfach wie heute: Das Internet erleichtert Vernetzung und Interaktion der „Commonist_innen“ und mobile Technologien wie omnipräsente Smartphones geben Leihen, Tauschen und Teilen ein neues Gesicht.

Die Share Economy hat diesen positiven Beigeschmack einer sauberen, menschlicheren Wirtschaft. Doch es gilt: Teilen ist nicht gleich Teilen. Uber, Car Sharing oder Air-Bnb besetzen Marktnischen und aktivieren damit „totes Kapital“. Deren Ziel ist es nicht, die Welt zu einem besseren, nachhaltigeren Ort zu machen. Daneben existiert Collaborative Consumption, die an politischen und ökologischen Missständen rütteln will, ohne kommerzielle Interessen. Etwa Foodsharing – eine Maßnahme, der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken.

BIODIVERSITÄT STEIGERN. Auch Gartenpaten versteht sich als „sozial und ökologisch ausgerichtete Initiative.“ Leonie erklärt: „Wir sehen Gartenpaten als Teil der urbanen Gartenbewegung und Share Economy, die die Sicht auf die Bedeutung des eigenen Nahrungsmittelanbaus verändert. Gartenpaten steht für Gärten als Orte der Vielfalt. Im Zuge der immer weiter fortschreitenden Intensivierung der Landwirtschaft gewinnen alternative Grünflächen – zum Teil auch in urbanen Räumen – zunehmend an Bedeutung. Diese vorhandenen Ressourcen wollen wir durch Gartenpaten effektiver nutzen.“

Jan möchte sein theoretisches Wissen und die damit verbundenen Fertigkeiten mit anderen teilen und sich austauschen. Deshalb hat er sich bei Gartenpaten angemeldet. Für ihn eröffnet Selbstversorgung unglaublich viele neue Möglichkeiten und ist eine riesige Bereicherung in jeglicher Hinsicht. Er denkt, es wird in der Zukunft noch wichtiger sein, die Biodiversität zu erhalten und erneut zu steigern. Ähnlich denken auch Veronika und Leonie:„In Zukunft werden die Gartenpaten-Nutzer_innen auch durch Anleitungen und Tipps auf der Website angeregt, biologisch zu wirtschaften, samenfestes Saatgut zu verwenden und Mischkultur sowie Fruchtfolge zu beachten. So können alte Kulturpflanzen besser erhalten und die Vielfalt an Pflanzensorten in Gärten erhöht werden. Hiervon profitieren wiederum viele Tierarten in direkter oder indirekter Weise.“

Ein wenig gemeinsames Gärtnern und das Teilen von Bohrmaschinen wird vielleicht den Planeten nicht retten, trotzdem kann damit ein Beitrag in unserer Wegwerfkultur geleistet und ein Zeichen gesetzt werden. Geteilter Konsum kann Gütermengen reduzieren und zu einem bewussteren Umgang mit Ressourcen beitragen. Das setzt Vertrauen und Solidarität voraus. Aber wie postuliert Rachel Botsman, die Autorin von What’s Mine is Yours, so schön: „Die Währung der neuen Wirtschaft ist Vertrauen.“

Clara Heinrich hat Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert.

AutorInnen: Clara Heinrich