God loves Uganda

  • 22.12.2013, 12:41

Im Rahmen des Menschenrechtsfilmfestivals This Human-World stellte Regisseur Roger Ross Williams seinen neuen Dokumentarfilm „God Loves Uganda“ vor. Ein Film über den Einfluss der amerikanischen christlichen Rechten auf die ausufernde gesellschaftliche und politische Homophobie in Uganda.

Im Rahmen des Menschenrechtsfilmfestivals This Human-World stellte Regisseur Roger Ross Williams seinen neuen Dokumentarfilm „God Loves Uganda“ vor. Ein Film über den Einfluss der amerikanischen christlichen Rechten auf die ausufernde gesellschaftliche und politische Homophobie in Uganda.

Uganda ist ein Land, in dem beinahe 50% der Menschen jünger als fünfzehn Jahre alt sind, 85% einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehören und das tendenziell pro-westlich eingestellt ist. Diese Fakten machen den kleinen ostafrikanischen Staat zu einem strategisch wichtigen Ziel für evangelikale Missionare aus den Vereinigten Staaten. Während viele von ihnen den Kampf um streng christlich-konservative Werte in den USA für verloren halten, sehen sie in Uganda das Potential für einen christlichen Gottesstaat. Nach dem Sturz des Diktators Idi Amin im Jahr 1979 entstand ein Machtvakuum, das bald von evangelikalen Kirchen gefüllt wurde.

„Kill the Gays“ - der Hass auf nicht-heterosexuelle Lebensentwürfe

Der US-amerikanische Regisseur Roger Ross Williams hatte bereits einige Jahre in Zimbabwe seine Oscar-gekrönte Kurzdokumentation „Music by Prudence“ gedreht, als er den enormen Einfluss des fundamentalistischen Evangelismus auf dem Kontinent und die daraus entstandene Intoleranz gegenüber andersgläubigen und homosexuellen Menschen bemerkte. Obwohl es etliche afrikanische Staaten gibt, die eine noch strengere Gesetzgebung gegen Homosexualität haben, entschied er sich für Uganda, das wegen der geplanten* Verabschiedung der Uganda Anti-Homosexuality Bill – gemeinhin auch „Kill the Gays Bill“ genannt – im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit stand.
Für „God Loves Uganda“ folgt der vierzigjährige Regisseur einer Gruppe junger Mitglieder des  „International House of Prayer“ auf ihrer ersten Auslandsmission, bei der Andersgläubige bekehrt, Homosexuelle geheilt und einheimische Missionare ausgebildet werden sollen. „Ich glaube, sie sind einfach fehlgeleitet, sie glauben, dass Gott sie lenkt. Aber wenn man sich mit ihnen hinsetzt, sind sie echt nett. Das war mir wichtig, diese Leute nicht zu verteufeln.“ Weitere Protagonist_innen sind Lou Engle, ein führender Kopf der amerikanischen evangelikalen Rechten, Pastor Scott Lively, Autor des Buches „The Pink Swastika - Why and How to Defeat the Gay Movement“, in dem Homosexuellen die Schuld am Nationalsozialismus gegeben wird, sowie der ugandische Pastor Martin Ssempa, der durch seine fanatischen und bizarren Reden bereits zu einer Youtube-Berühmtheit geworden ist („Eat da Poo Poo“).
Roger Ross Williams lässt die Schlüsselfiguren ausführlich in Interviews und scheinbar beiläufigen Gesprächen zu Wort kommen, er zeigt sie bei ihren Bekehrungsversuchen, Predigten und beim ekstatischen Zungenreden. Die mitreißenden Bilder und die extremistischen Statements der Protagonist_innen sprechen für sich und machen jeden Off-Kommentar überflüssig. Manche Szenen haben durchaus humoristisches Potential, etwa wenn Pastor Martin Ssempa vermeintlich typisch schwule Praktiken anhand von SM-Bildern vorführt, das Lachen bleibt einem jedoch spätestens in der Kehle stecken, wenn die Gesichter seiner fanatisierten Kirchengemeinde in das Blickfeld der Kamera rücken. Oder, wie es ein Bürgerrechtler ausdrückt: „Wenn sie in Uganda predigen, dürfen sie nicht vergessen, dass die Leute hier das Gesetz in die eigene Hand nehmen“.

Während der Zeit des Filmdrehs wurde der prominente Schwulenaktivist David Kato mit einem Hammer erschlagen, nachdem eine ugandische Zeitung die Fotos, Namen und Adressen von hundert angeblich homosexuellen Menschen veröffentlicht hatte. Bei Katos Begräbnis, einem traurigen Höhepunkt des Films, kommt es zum Eklat, als ein anglikanischer Priester das Wort ergreift und gegen Homosexualität wettert. Nach einer Auseinandersetzung wird ihm das Mikrofon entrissen, die Predigt wird schließlich von einer weiteren Schlüsselfigur des Films, Bischof Christopher Senyonjo, der wegen seines Kampfes für LGBTI-Rechte bereits exkommuniziert wurde, gehalten.

Unafrikanische Homosexualität?

Dabei war die Situation in Uganda für nicht-heterosexuelle Lebenskonzepte bereits wesentlich besser. Jahrzehntelang wurden Schwulenbars toleriert, die Buganda, die größte Ethnie Ugandas, hatte sogar einen offen schwulen König. Die geplante Uganda Anti-Homosexuality Bill sieht die Todesstrafe für gewisse homosexuelle Aktivitäten vor, Angehörige und Freunde müssten mit sieben Jahren Gefängnis rechnen, wenn sie Homosexuelle nicht denunzieren. Dieser Gesetzesentwurf geht auf eine Initiative amerikanischer Evangelikaler zurück. Vor allem Pastor Scott Lively, der in den USA eher als wenig einflussreicher Sonderling gilt, hat in Uganda ein neues Betätigungsfeld entdeckt. Er hielt im Parlament von Uganda eine vierstündige Rede, in der er vor den Gefahren der Homosexualität warnte. Bei der Wahl seiner „Argumente“ war er nicht wählerisch: das Hauptziel der „homosexuellen Lobby“ ist die Zerstörung der ugandischen Gesellschaft durch die Rekrutierung und „Homosexualisierung“ von Kindern.
Aber auch in einer anderen Hinsicht hat der Einfluss der amerikanischen Evangelikalen fatale Auswirkungen. In den neunziger Jahren hatte Uganda mit 18% die höchste AIDS-Rate Afrikas. Durch ehrgeizige und kostenintensive Aufklärungsprogramme der amerikanischen und ugandischen Regierung unter dem Motto „Abstinenz, Treue und Kondome“ konnte die Zahl bis zum Jahr 2000 auf erstaunliche fünf Prozent gesenkt werden. Unter George W. Bush wurde dieses Projekt aus ideologischen Gründen geändert: die Bewerbung von Kondomen wurde mit dem Einfrieren von staatlichen Fördergeldern geahndet, der Fokus lag nun ausschließlich auf Abstinenz – ein Konzept, das die Lebensrealität der Menschen ignoriert und das ehemalige Vorzeigeland der AIDS-Bekämpfung weit zurückwarf.

Regisseur Roger Ross Williams. Foto: Dieter Diskovic.

Laut Regisseur Roger Ross Williams ist Uganda für die amerikanischen christlichen Fundamentalist_innen bloß ein Testlauf für eine Ausweitung der Missionierung auf andere afrikanische Staaten. Umso wichtiger ist die Aufklärung über diese international nur wenig bekannte Entwicklung. „God Loves Uganda“ wurde auf die Oscar-Shortlist für die beste Dokumentation 2014 gesetzt. Ein Erfolg ist Roger Ross Williams nicht nur wegen der aufklärerischen Effekte zu wünschen, sondern auch, weil ihm mit „God Loves Uganda“ ein fesselnder und zugleich verstörender Film gelungen ist, der die Zuseher_innen noch lange nach dem Filmende beschäftigt.

* Nachtrag: Nach jahrelanger Debatte wurde am 20. Dezember 2013 der Uganda Anti-Homosexuality Bill verabschiedet. Statt mit der geplanten Todesstrafe werden homosexuelle Handlungen mit lebenslanger Haft bestraft.

 

Der Autor (geb. 1979), lebt in Wien. Er hat Kultur- und Sozialanthropologie studiert und engagiert sich bei der Screaming Birds Aktionsgruppe.

AutorInnen: Dieter Diskovic