Frauen*arbeit: sisterresist

  • 10.01.2014, 11:32

In Salzburg haben vor einigen Jahren Frauen* das Kollektiv sisterresist gegründet. progress online hat mit den Aktivistinnen Rosa, Lila und Susi über ihre politischen Ziele und ihre praktische Arbeit gesprochen.

In Salzburg haben vor einigen Jahren Frauen* das Kollektiv sisterresist gegründet. progress online hat mit den Aktivistinnen Rosa, Lila und Susi über ihre politischen Ziele und ihre praktische Arbeit gesprochen.

progress online: Was ist sisterresist?

Rosa: sisterresist ist ein feministisches Frauen*kollektiv in Salzburg, das seit 2010 besteht. Wir kämpfen autonom für eine herrschaftslose, gewaltfreie Gesellschaft ohne Zwänge. Ursprünglich kennen gelernt haben sich einige von uns während der Unibesetzung. Danach gab  es einmal im Monat einen Frauenstammtisch, der vom damaligen ÖH Frauenreferat organisiert wurde. Da kamen dann noch weitere Frauen dazu und am Ende entstand daraus sisterresist. Insgesamt sind wir rund fünfzehn Frauen*.

Wie definiert ihr euch?

Lila: Wir verstehen Geschlecht und damit verbundene Konsequenzen nicht als natürliche Gegebenheit, sondern als ideologische Konstruktion, die der Herstellung und Verschleierung von Machtverhältnissen dient. Natur kennt keine Kategorien und bringt diese auch nicht hervor, sie sind gesellschaftlich produziert und dienen als Grundlage zur Bewertung von Menschen. Wir stellen uns gegen jegliche Ideologie der Ungleichheit, die davon ausgeht, dass es „Bessere“ und „Schlechtere“ gibt, die ein „Wir“ konstruiert, um alle “Anderen” dadurch auszugrenzen. Daher lehnen wir uns gegen das bestehende System auf.

Foto: sisterresist

Wieso bezeichnet ihr euch als antikapitalistisches Kollektiv?

Susi: Kapitalismus lebt von gesellschaftlichen Ungleichheiten. Gäbe es keinen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, keine Homo-/Trans- oder Intersexphobie und keine Klassen, würde er nicht mehr funktionieren. Frauen* leisten überwiegend unbezahlte Reproduktionsarbeit und arbeiten häufig Teilzeit. Dies stützt die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems auf Kosten von Frauen*. Für Frauen* bedeutet der durchschnittlich geringere Lohn in der Erwerbsarbeit den Druck einen schlechteren Lohn individuell akzeptieren zu müssen, und für das Kapital Grund und Vorwand weniger zu zahlen. Sie sind jene Reservearmee, welche das Kapital braucht, um erfolgreich Lohndumping zu betreiben. Der Ausschluss vieler Frauen* vom regulären Arbeitsmarkt bis hin zu ihrer Illegalisierung stellt einen weiteren Unterdrückungsmechanismus zur Kapitalakkumulation dar.

Rosa: Genau. Denn der globale Kapitalismus ist auch von rassistischen Politiken geprägt. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Menschen bei gleichzeitiger Auslagerung der Produktion in Länder des globalen Südens bedeutet eine Zuweisung in die moderne Lohnsklaverei. Bei Zuwiderhandeln drohen Haft und Abschiebung, oder Beschäftigung in der Schattenwirtschaft. So wird ein Teil der Menschheit auf das ausweglose Prekariat verwiesen um den ausschweifenden Konsum des Westens und den Reichtum Weniger zu ermöglichen. Dagegen und gegen andere Ausgrenzungspolitiken sowie für eine freie Gesellschaft, in der alle ihre Potentiale entfalten und autonom ihr Leben gestalten können, kämpfen wir.

Was braucht es, um als Gesellschaft in diesem Sinne frei zu sein?

Rosa: Das Fehlen von struktureller Gewalt ist die Grundlage für die volle Entfaltung der jeweiligen Potentiale. Strukturelle Gewalt äußert sich in der ungleichen Verteilung von Eigentum, Teilhabe und Lebenschancen, entlang der Trennlinien Klasse, Geschlecht, Herkunft… Strukturelle Gewalt zeigt sich in der Setzung von Grenzen, in Inklusion oder Ausschluss. Strukturelle Gewalt wird in der Trennung in Öffentlich und Privat und deren Hierarchisierung zulasten des ins Private Verdrängten manifest. Und ohne physische Gewalt wären die Aufrechterhaltung und Durchsetzung dieses Gesellschaftsvertrages auch nicht möglich. Es braucht also eine Gesellschaft, die frei von Gewalt ist.

Setzt ihr euch mit feministischer Theorie auseinander?

Susi: Es ist nicht so, dass wir viele Lesekreise veranstalten. In der Praxis stellen sich aber viele theoretische Fragen, die uns zum Diskutieren bringen. Wir gehen davon aus, dass die Kategorie Geschlecht konstruiert ist und ständig reproduziert wird. Diese Kategorisierung hat nachteilige Folgen für all jene, die als Frauen* gelten. Alle Frauen* teilen Erfahrungen von Sexismus sowie psychischer, physischer und struktureller Gewalt.  Viele Frauen sind aufgrund anderer Kategorisierungen weiteren Diskriminierungen ausgesetzt. Feministische Theorie dient uns dabei als Analysewerkzeug. Wir verorten  unseren Kampf in der Frauen*bewegung, wobei  politische Arbeit für uns bedeutet, Herrschaftsverhältnisse aufzuzeigen und für den Widerstand gegen das kapitalistische Patriarchat zu mobilisieren.

Foto: sisterresist

Und wie sieht die politische Praxis aus?

Lila: Wir organisieren Demos, Kundgebungen, aktionistische Interventionen und Diskursveranstaltungen, die Raum für Vernetzung und Reflexion bieten. Unsere aktuellen Projekte findet ihr laufend upgedatet auf unserem Blog:  http://sisterresist.wordpress.com/

Am 17. Dezember 2013 um 19:00 zeigten wir in Kooperation mit dem ÖH Frauenreferat und dem studiowest im Das Kino den Film „Küchengespräche mit Rebellinnen” AT 1984, 80 min, der sich den Geschichten von Frauen im antifaschistischen Widerstand widmet. Das Kollektiv aus Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik und Lisbeth N. Trallori dokumentierte diese und weitere Erzählungen im Rahmen eines der ersten Oral History-Projekte zum Thema Frauen im NS-Widerstand. In den letzten Monaten wurden in Salzburg rund siebzig Stolpersteine geschändet und an vielen Wänden stehen NS-verherrlichende Slogans. Dem setzen wir antifaschistische Arbeit und kollektives Erinnern entgegen. In einem Klima von Gewalt gegenüber Ausgegrenzten ist es auch die Aufgabe einer Interessensvertretung wie der ÖH hier eine klare Position einzunehmen. Die von der ÖH Salzburg initiierte Plattform gegen Rechts steht dem als breite Front entgegen.

Es gibt auch eine Radioshow von euch?
Susi:
Radio sisterresist ist ein laufendes Projekt seit Juli 2011. Hier setzen wir uns viel mit aktuellen feministischen Fragestellungen auseinander. Im Rahmen der Serie Frauenzimmer auf der Radiofabrik senden wir jeden ersten Mittwoch im Monat zu aktuellen und informativen feministischen Themen. Im Dezember berichteten wir vom Intersex Solidarity Day. Intersexbeauftragte Gabriele Rothuber und Intersexaktivist* Alex Jürgen sprechen zum Thema „Intersexualität – geschlechtliche Vielfalt anerkennen“. Für die Sendung im Januar war sisterresist für euch im Das Kino und berichtet von der Buchpräsentation von Caroline Fink und Karin Steinbach die ihr neues Sachbuch „Erste am Seil – Pionierinnen in Eis und Fels“ im Rahmen des 14. Bergfilmfestivals vorstellten.

Foto: sisterresist

Ihr macht auch Wen Do? Was ist das?

Rosa: Wen Do ist feministische Selbstverteidigung von Frauen für Frauen. Gemeinsam trainieren wir wirksame Strategien gegen Sexismus und Gewalt. Wir wissen, dass es für alle Frauen wichtig sein kann sich selbst zu verteidigen. Deshalb haben wir in Kooperation mit dem ÖH Frauenreferat schon mehrere Wen Do Basisworkshops und Schnupperkurse veranstaltet und möchten dies gerne fortsetzen.

Was macht ihr als nächstes?

Lila: Am 10. Jänner 2014 laden wir herzlich zur SolipaRRRty ins Jazzit in Salzburg ein. Die Einnahmen kommen der Schadenswiedergutmachung der Sachbeschädigung von Wahlplakaten aller Parteien (außer KPÖ) im Raum Salzburg zugute. Die Sonderkommission Edelweiß hat eine Sprayerin gestellt und angehalten, bis die Polizei übernommen hat. Wir finden sichtbaren Widerstand und Politik von unten wichtig und setzten den rechten Umtrieben mit unserem Fest ein Stück feministische Gegenkultur entgegen. Widerstand muss Praxis werden. Das Fest ist: Open for all genders!

AutorInnen: Katharina Premm