Female to… WHAT THE FUCK?!?

  • 12.06.2015, 20:46

Dieser Tage findet in Wien das queere Filmfestival identities statt. An zehn Tagen – noch bis zum 21. Juni – werden im Gartenbaukino, Top Kino und im Filmcasino internationale Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme zu unterschiedlichen Themenbereichen des queeren Spektrums gezeigt.

Dieser Tage findet in Wien das queere Filmfestival identities statt. An zehn Tagen – noch bis zum 21. Juni – werden im Gartenbaukino, Top Kino und im Filmcasino internationale Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme zu unterschiedlichen Themenbereichen des queeren Spektrums gezeigt.

Zwischen 1994 und 2015 fand das identities in Wien sechs Mal statt. Jedes Mal wurde es größer: mehr Filme, mehr Publikum, mehr Preise. Heuer wird erneut der beste Lang- sowie Kurzfilme prämiert, zusätzlich hat das Publikum die Chance, einen eigenen Preis zu vergeben. Auch das Rahmenprogramm bietet viel Abwechslung. Neben der obligatorischen Eröffnungsparty gibt es Gespräche mit den Filmschaffenden vor und hinter der Kamera, Partys und eine Familienjause mit Kakao und Krapfen.

Nach der Veröffentlichung des Programms gab es Widerstand. Nick Prokesch thematisierte in seinem offenen Brief an die Festivalleitung die mangelnde Repräsentation von Trans*Personen und queer people of color. Stattdessen wird ein Film wie „Dallas Buyers Club“ gezeigt, der von Hass auf so gut wie alle Mitglieder der LGBTQIA-Community nur so strotzt. Dabei hieß die erste Ausgabe des identities Festivals „trans-X. Eine filmische Identity Tour“ und trug somit das Thema Trans*identitäten  sogar im Titel. Ein weiterer Brief mit Kritik, vor allem betreffend der eurozentristischen und kolonialen Perspektiven, die das Festivals reproduziert, kursiert in den Sozialen Medien.

Nick Prokesch ist Protagonist von „FtWTF“, ein ebenfalls am identities gezeigter Dokumentarfilm, der verschiedene Trans*biografien zeigt und jenseits gewohnter Klischees von „falschen Körpern“, Operationenflut und Opferperspektive agiert. Hier gibt es Raum für nichtbinäre Identitäten, das Ausloten von lebbaren Männlichkeiten und entstehende Reibungsflächen innerhalb queer-feministischer Communities.

Der Film feiert Premiere am 18. Juni (ausverkauft) und wird am 21. Juni erneut aufgeführt.

Wir haben die zwei Regisseurinnen Cordula Thym und Katharina Lampert zu einem Gespräch getroffen.

progress: Könnt ihr kurz was zu eurer Motivation sagen, FtWTF zu machen?

Unseren letzten Film haben wir über lesbisches Leben im Wien der 50er und 60er Jahre gemacht – und sehr viel Zeit mit Recherchieren und der Suche nach Protagonistinnen verbracht.

Während wir den Film gemacht haben, wurde Trans*(männlichkeit) ein immer wichtigeres Thema in Wien – sowohl in unserem persönlichen Umfeld als auch politisch.

Daraus und auch aus dem Bedürfnis mit Leuten, die wir schon länger kennen und nicht erst suchen müssen zusammenzuarbeiten, ist die Idee für diesen Film entstanden. Wir haben auch versucht mit dem Film dem schon oft erzählten Narrativ: „Mensch im falschen Körper geboren – schmerzhaftes Coming Out – geschlechtsangleichende Operationen  - Ende“ andere Geschichten entgegenzusetzen. Und auch die Auseinandersetzung mit Männlichkeiten in der queeren Szene war ein großes Thema.

Gibt es spezielle Schwierigkeiten oder Vorzüge von Österreichischen Gesetzen, wenn es um Trans*Personen geht?

2009 ist der Paragraph zur Zwangssterilisation und die „geschlechtsangleichenden“ Operationen von Trans*Personen gekippt worden. Vorher war dies notwendig, um den Personenstand zu ändern. Damit ist Österreich eines von elf Ländern in Europa, wo das möglich ist. Allerdings müssen Trans*Personen immer noch eine vorgeschriebene Anzahl an Psychotherapiestunden absolvieren, dem äußeren Erscheinungsbild dieses Geschlechtes entsprechen bzw. sich ihm annähern und beweisen dass sie für immer im angestrebten Geschlecht leben wollen, wofür ein psychiatrisches Gutachten notwendig ist.

Gab es beim Dreh einen Moment, der euch hinter der Kamera besonders berührt hat?

Da gab es natürlich viele Momente. Eigentlich ist jedes Interview ein sehr intensives und persönliches Erlebnis. Wir kannten unsere Protagonist*innen zum Großteil zwar schon länger, aber in so einem Interview stellt mensch dann doch auf einmal Fragen, die in einem normalen Alltagsgespräch so nicht gestellt werden würden. Das war sehr spannend.

Hat es euch überrascht, dass die erste Vorstellung so schnell ausverkauft war?

Es hat uns jedenfalls sehr gefreut! Natürlich sind viele von den Karten auch an die Protagonist*innen und das Team gegangen – bei so einem Film sind ja immer sehr viele Leute beteiligt und da die Premiere schönerweise in Wien stattfindet, können die auch alle kommen.

Wie geht es mit dem Film nach dem identities weiter? Gibt es schon einen Kinostart für Österreich oder andere Festivaltermine?

Wir hoffen dass der Film international auf vielen Festivals laufen wird, für Österreich müssen wir noch einen Verleih finden, der ihn ins Kino bringt.

Gibt es im etwas, das ihr gerne im Film festgehalten oder thematisiert hättet, aber nicht konntet?

Ein Dokumentarfilm zeigt natürlich auch immer nur einen kleinen Ausschnitt der Realität. Wir haben uns bemüht die unterschiedlichen Geschichten gut zu erzählen und wir hoffen, dass wir eine ausgewogene Balance gefunden haben.  Es ging uns auch nicht darum abgeschlossene Geschichten zu erzählen. Wir haben aber bewusst gewisse Themen, zum Beispiel. medizinische Detailaspekte weggelassen. Das wäre dann ein anderer Film.


„FtWTF“
Regie: Cordula Thym und Katharina Lampert
Mit: Nick Prokesch, Dorian Bonelli, Mani Tukano, Denice Bourbon, Gin Müller, Persson Perry Baumgartinger, Hans Scheirl u.v.a.
85 Minuten
Premiere: 18.6.

 

Katja Krüger ist Unternehmerin und mastert derzeit die gender studies.

 

AutorInnen: Katja Krüger