Die Angst vor unserer Handlungsunfähigkeit

  • 13.07.2012, 18:18

Das vorliegende Heft ist ein Heft der Krise. Das war nicht geplant, ist aber offensichtlich.

Kommentar

Das vorliegende Heft ist ein Heft der Krise. Das war nicht geplant, ist aber offensichtlich: Christine Nöstlinger spricht im Cover-Interview über die Krise der SPÖ, Marion Bacher beschreibt in ihrer Reportage die Auswirkungen der Finanzkrise auf Griechenland, Anna Sawerthal umreißt in ihrem Beitrag die Krise der Mittelschicht und Heribert Prantl, einer der besten Leitartikler Deutschlands, veranschaulicht in seiner abgedruckten Rede die Krise von Journalismus und Pressefreiheit, die wiederum zu einer schweren Krise der Demokratie führen könnte.
Das beim Lesen der Geschichten entstehende Gefühl nimmt folgenden  Gedanken schon vorweg: Die beschriebenen Krisen sind allesamt keine isolierten Phänomene, sondern hängen miteinander zusammen. Es gibt zwischen ihnen eine Verbindung, die auf zwei Punkte heruntergebrochen werden kann: Angst und fehlender Glaube. Die Angst vor unserer eigenen scheinbaren Handlungsunfähigkeit. Und der fehlende Glaube in die Kraft unseres Handelns. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein so bequemer wie gefährlicher Gedanke in vielen Köpfen breit gemacht. Dass der Zug der Geschichte seine Endstation erreicht habe, wurde allerorten gefaselt. Nicht zuletzt auch an den Universitäten. Dass wir uns nicht mehr um das politische Ganze kümmern müssten, wurde uns erzählt, sondern nur noch um unser eigenes, privates Wohlergehen.
Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Das so genannte Ende der Geschichte hat gerade um ein Haar Griechenland in den Bankrott getrieben; das Ende der Geschichte ist gerade dabei, Zeitungsredaktionen und die Pressefreiheit zu zerstören; das Ende der Geschichte macht sich gerade daran, blutig erkämpfte Werte und Tugenden zu vernichten.
Das Gerede vom Ende der Geschichte ist kein Ende der Geschichte, sondern der Versuch, den Menschen allenthalben einzureden, dass politisch und journalistisch integres Handeln sinn- und zwecklos wären.
Wenn JournalistInnen selbst nicht mehr an den Journalismus glauben, wer bewacht dann die Demokratie? Wenn sich die Mittelschicht aufgibt, wer trägt dann den demokratischen Staat? Wenn sozialdemokratische Parteien in handlungsunfähigkeit verharren, wer verhindert dann, dass die Massen zu den antidemokratischen Rechtsradikalen abwandern?

 

AutorInnen: Wolfgang Zwander