Beyoncé – „Lemonade“

  • 21.06.2016, 19:30

Marie Luise: Beyoncés neues Album, zu dem es einen abendfüllenden Begleitfilm gibt, handelt von Wut. Unter anderem lassen sich Anspielungen auf Jay Zs außereheliche Affären herauslesen. Worum es aber viel stärker geht, ist eine hochpolitische Wut. Das Video zu „Formation“ wurde am Vorabend der Super Bowl in den U.S.-amerikanischen Medien heiß diskutiert. Es geht um rassistische Polizeigewalt und zeigt Beyoncé, wie sie auf einem Streifenwagen sitzt, der langsam untergeht. Die Polizei zeigte sich weitgehend empört, viele Polizist*innen weigerten sich, bei Beyoncés Konzerten den Security Service zu übernehmen. Weiße Republikaner*innen gaben öffentlich kund, dass eine Musikerin, die sich so polizeikritisch äußert, keinen Platz bei der Super Bowl haben sollte. In ihrer Performance auf dem Mega-Event bezog sich die Künstlerin dann mittels Kleidung auf die Black Panthers und durch die Choreographie (die Tänzerinnen waren in Form eines X aufgestellt) auf den Schwarzen Bürgerrechtskämpfer Malcolm X. In ihrem neuen Album thematisiert Beyoncé darüber hinaus Themen wie Feminismus und #Blacklivesmatter. In einer Szene zitiert sie Pipilotti Rists Videoperformance „Ever is over all“, in der die Künstlerin mit einem Stock die Fensterscheiben parkender Autos zerschlägt. Ein großartig notwendiges Gesamtkunstwerk!

Katja: Beyoncés neues Album hat mich kalt erwischt. Es kam so plötzlich und so heftig wie selten etwas in der Musikbranche. Nach ihrem Video zu „Formation“ konnte doch unmöglich etwas nachgeschoben werden, das noch krasser einschlägt? Doch. Es klingt absolut unglaubwürdig, dass ein Konzeptalbum über Ehebruch das politischste Statement des Jahres hervorbringt, aber „Lemonade“ ist genau das. Bei Beyoncé ist das Politische privat und das Private politisch, mit Leib und Seele. Wäre es ein Album ohne dazugehörigen einstündigen Film gewesen, wäre die ganze Sache ein bisschen fad geworden, aber deswegen heißt es ja „eine Vision haben“. Als Musikerin und Künstlerin hat sich Beyoncé etwas dabei gedacht, beides gemeinsam über HBO zu zeigen und dann online zu stellen. Schließlich spielt die ökonomische Komponente der sinkenden Plattenverkäufe eine gigantische Rolle in allen Entscheidungen der Frau, die sich „black Bill Gates in the making“ auf die Fahnen schreibt. Für mich ist dies ein absoluter Meilenstein der Musikgeschichte, der besser ausgedacht, realisiert und perfektioniert gar nicht sein könnte.

Marie Luise Lehner studiert Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Katja Krüger-Schöller studiert Gender Studies an der Uni Wien.

AutorInnen: Katja Krüger, Marie-Luise Lehner