Arbeitsverweigerung als politisches Kapital

  • 15.05.2015, 21:23

Mit ihrer Single „Turn“ haben es Chili and the Whalekillers letztes Jahr auf Platz drei der isländischen Charts geschafft. Jetzt erhofft sich die isländisch-österreichische Band Wettbewerbsvorteile in Japan und Norwegen. Mit progress sprachen sie über ihr neues Album, Humor und Arbeitsverweigerung.

Mit ihrer Single „Turn“ haben es Chili and the Whalekillers letztes Jahr auf Platz drei der isländischen Charts geschafft. Jetzt erhofft sich die isländisch-österreichische Band Wettbewerbsvorteile in Japan und Norwegen. Mit progress sprachen sie über ihr neues Album, Humor und Arbeitsverweigerung.

progress: Ihr habt Alben über Weihnachten, den Zirkus und die Finanzkrise gemacht. Ist euer neues Album „a dot in the sky“ auch ein Konzeptalbum?

Chili Tomasson: Bei dem Projekt gibt es kein übergeordnetes Thema. Wir haben kurz überlegt, ob wir dem Ganzen für uns selber ein Thema geben sollen und haben über einen Piloten mit Superman-Umhang nachgedacht, der in einer alten Maschine über Erdbeerfelder fliegt. Aber im Prinzip haben sich einfach Songs angesammelt und wir haben sie zusammengestellt. Das Album deckt musikalisch sehr viele Bandbreiten ab. Wir haben zum Beispiel Akkordwechsel benutzt, die man eigentlich nicht verwenden darf, die aber trotzdem funktionieren – wie zum Beispiel bei „Industry“.

Michael Szedenik: Wir haben versucht, nicht immer nur mit Klischees zu arbeiten. Es ist toll, wenn etwas eine catchy Melodie hat und bei genauem Hinhören auch eine tolle Struktur aufweist. Das macht gute Popmusik aus, wenn sie inhaltlich und musikalisch anspruchsvoll ist und trotzdem greifbar bleibt.

Foto: Alexander Gotter

In euren Liedern verbindet ihr oft ernste Themen mit tragisch-komischen Erzählungen. Welche Rolle spielen Humor und Ironie in euren Texten?

Michael: Wenn man einfach nur kritische Songs schreibt, wirkt es oft wie ein Schuldzuweisen – so auf die Art: „Das ist falsch, das ist falsch und sowieso ist alles scheiße“. Gewisse Zustände muss man einfach mit Humor nehmen. Dann wird es als Musiker lustiger und ich glaube, die Leute merken es sich auch besser. Ich schaue mir zum Beispiel sehr gerne politisches Kabarett an.

Chili: Hagen Rether und so.

Michael: Genau. Das Programm bei manchen Kabarettisten ist sehr informativ und bleibt gut im Kopf.

Chili: Ich denke Humor ist auch insofern wichtig, weil man es sonst selbst irgendwann nicht mehr packt. Wenn man einen Song im Studio probt und ihn hunderttausendmal hört, ist es besser, sich damit nicht in eine Depression zu stürzen, sondern Spaß dabei zu haben. Aber es ist ein schwieriger Grat und Humor funktioniert für mich persönlich ab einem gewissen Punkt auch nicht mehr, wenn das Thema zu ernst wird.

Was wäre denn ein zu ernstes Thema?

Chili: Ich finde es schwierig, aus einer Außenposition über Dinge zu schreiben. Ich stehe momentan nicht in Griechenland und ich ertrinke nicht im Mittelmeer. Ich würde mir zum Beispiel über die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer keinen Humor anmaßen, da finde ich ihn fehl am Platz.

In eurem Song „Industry“ lautet eine Zeile „refusing to work is capital“. Was sind die Hintergründe zu dem Lied?

Chili: Ich bin auf das Thema Arbeitsverweigerung gestoßen und habe mir lange sehr schwer getan damit, weil ich – das ist jetzt sehr persönlich – von einer kommunistischen Seite her gekommen bin und da geht das nicht, Arbeitsverweigerung. Dann habe ich langsam begonnen, anarchistische Theorien zu verstehen, und zwar so richtig zu verstehen – im Bauch zu spüren, worum es geht. Ich habe dann nach Wörtern gesucht, um dieses Riesenthema in kompakte Lyrik zu fassen. Das Lied versucht, Arbeitsverweigerung als politisches Kapital zu behandeln. Im Prinzip ist es kläglich gescheitert, weil das Thema viel größer ist als das, aber es war kein schlechter Versuch.

Michael: Ich weiß nicht, ob man es so sehen kann. Es bleibt so oder so ein Popsong.

Chili: Das Lied selbst beginnt mit einer Szene in einer leeren Nähfabrik. Alle Menschen, die dort gearbeitet haben, haben die Fabrik verlassen, weil sie Besseres zu tun haben. Das Wichtige ist der Refrain, der musikalisch das behandelt, wo die Menschen sind, wenn sie nicht mehr arbeiten – und das ist unter Umständen ein ganz guter Ort. Die Strophen des Liedes führen immer wieder dorthin, an einen Ort, den ich mir gar nicht anmaße zu beschreiben, weil er für alle anders ist.

Foto: Alexander Gotter

Betrachtet ihr das Musikmachen als eure Arbeit?

Beide: Ja klar.

Spielt Arbeitsverweigerung für euch persönlich eine Rolle?

Michael: Wir mussten das zum Glück noch nie machen.

Chili: Auch deswegen, weil es eine Arbeit ist, die wir irrsinnig gern machen, und uns niemand dazu gezwungen hat, das so zu machen.

Michael: Weil wir selbst bestimmen und unsere Marke selbst vertreten.

Chili: Genau, wir haben das Kapital, zumindest in Gerätschaften. Wir haben zwar kein Geld, aber die Produktionsmittel sind da.

 

Flora Schausberger studiert Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien.

www.chiliandthewhalekillers.com

 

 

AutorInnen: Flora Schausberger