Apolitische Vertretung

  • 24.06.2015, 17:25

Die ŠRVŠ, die junge Studierendenvertretung der Slowakei, will,,unideologisch“ gegen Studiengebühren kämpfen.

Die ŠRVŠ, die junge Studierendenvertretung der Slowakei, will ,,unideologisch“ gegen Studiengebühren kämpfen.

Vor etwas mehr als 25 Jahren haben sie für einen Systemwechsel gesorgt. Die slowakischen StudentInnen hatten bei der Samtenen Revolution im November 1989,  mit der die Regierung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei friedlich zu Ende ging, eine Schlüsselrolle gespielt. Mit Massenprotesten, Streiks und dem Ruf nach Demokratie haben sie zur Demokratisierung der Gesellschaft beigetragen. Die heutige Studierendenvertretung der Slowakei, die SRVS, passt da nicht ganz ins Bild. Zumindest nicht, wenn es um radikale Forderungen geht.

Foto: Rosanna Atzara

POLITIK OHNE WAHLKAMPF. „Wir sind sehr demokratisch", sagt Jana Smelkova über die SRVS. Seit Oktober letzten Jahres steht sie an der Spitze der Generalversammlung der Studentska rada vysokych sköl. Sie vertritt die rund 175.000 Studierenden der Slowakei gegenüber dem Bildungsministerium. Die 26-Jährige ist Doktoratsstudentin an der Rechtsfakultät der Comenius. Alle zwei Jahre können slowakische StudentInnen ihre Delegierten wählen. Mit einer Zweidrittelmehrheit wird ihre Vorsitzende oder ihr Vorsitzender gewählt. Eine direkte, bundesweite Wahl der studentischen Vertretung gibt es damit im Gegensatz zu Österreich, wo diese heuer wieder eingeführt wurde, nicht.

Alle, die sich aktiv beteiligen, machen dies pro bono. Auch Jana übt ihren Job neben einer Lehrtätigkeit an der Uni und ihrem Studium ehrenamtlich aus. Der SRVS steht nur ein kleines, vom Bildungsministerium kommendes Budget zur Verfügung, Gebühren für die Studierenden gibt es nicht.

Mit der Struktur der SRVS ist Jana großteils zufrieden. „Die Delegierten werden direkt von den StudentInnen gewählt und kennen deren Anliegen sehr gut", sagt Jana. Dass es weder Wahlkampf noch politische Studierendenorganisationen gibt, die sich bei der SRVS engagieren, stört sie nicht. „Wenn wir Entscheidungen in der Generalversammlung treffen, brauchen wir ohnehin eine Mehrheit." Generell sieht sich die SRVS als nicht politisch, es gibt keine sozialpolitischen, gesamtgesellschaftlichen Forderungen und Ansprüche und auch keine - offiziellen - parteipolitischen Präferenzen von Delegierten und VertreterInnen. 

Frencien Bauer ist seit 2012 bei der SRVS. Er betont hingegen, dass Vertretungsarbeit immer auch politisch sei. „Sobald du die Rechte einer Gruppe vertrittst, machst du natürlich Politik. Ich finde, dass wir in der politischen Debatte mehr mitmischen sollten", sagt der Student der Wirtschaftsuniversität in  Bratislava. 2004 sind die slowakischen StudentInnen das letzte Mal auf die Straße gegangen. Damals wollte die Mitte-rechts-Regierung Studiengebühren einführen. Ein solches Bedrohungsszenario ist auch das einzige, bei dem sich Jana Smelkova vorstellen kann, die StudentInnen zu mobilisieren, denn die SRVS tritt gegen Studiengebühren ein. Auch mehr Geld für die Unis fordert die Vertretung regelmäßig. „Die Stimme der StudentInnen wird hier nicht wirklich gehört", beklagt Matej Smalik, Student an der Comenius. „Wir sind die einzige offizielle StudentInnenvertretung der Slowakei und in den repräsentativen Entscheidungsgremien des Hochschulwesens vertreten. Natürlich bringen wir dort unsere Forderungen ein. Wir sprechen mit dem Bildungsministerium", sagt Jana Smelkova.

Foto: Rosanna Atzara

KEIN PLATZ. Auch wenn die SRVS gegen Studiengebühren ist, für Zugangsbeschränkungen spricht sich Jana Smelkova dennoch aus. Das liege vor allem an der finanziellen Situation an den Universitäten: „Die Universitäten bekommen mehr Geld, wenn sie mehr Studierende aufnehmen. Darunter leidet dann das Betreuungsverhältnis und die Qualität des Studiums." Ein akademischer Titel sei, so die Befürchtung vieler StudentInnen, nichts mehr wert, wenn es zu viele AkademikerInnen am Markt gebe. „Ein Test vor der Zulassung zum Studium würde dafür sorgen, dass nur die Besten genommen werden und die AbsolventInnen bessere    Chancen am Arbeitsmarkt haben. Und wenn man den Test nicht besteht, kann man ihn wiederholen", so Jana. Derzeit obliegt es den Unis, solche Zugangstests zu machen. Und viele tun es auch.

Mit der Bologna-Struktur - also der Aufteilung in Bachelor, Master und PhD - ist die SRVS zwar grundsätzlich einverstanden, an der Umsetzung hapert es aber. „Wir finden es gut, dass die internationale Mobilität verbessert wurde, aber bei der Änderung der Curricula gab es schon Probleme", sagt Jana Smelkova. „Die Lehrpläne wurden oft einfach übernommen. Und der Bachelor als Abschluss ist in der Gesellschaft nicht wirklich angekommen", sagt auch Frencien Bauer.

SERVICE. Gesetzlich verankert ist die SRVS erst seit 1996. Aktuell besteht sie aus 136 Delegierten, die von den 36 privaten, öffentlichen und staatlichen Universitäten entsandt werden. Je nach Zahl der Studierenden variiert die Anzahl der Delegierten. Die größte Universität des Landes, die Comenius-Universität in Bratislava, schickt derzeit 15 Delegierte. Dort studieren aktuell etwa 29.000 StudentInnen. Zum Vergleich: An der Uni Wien waren im Wintersemester 2013 rund  92.000 Studierende  inskribiert.

Zu den größten Errungenschaften der SRVS zählen die Errichtung einer Ombudsstelle für StudentInnen an den Unis, die Einbindung der Studierenden bei der Qualitätssicherung und steuerliche Begünstigungen für StudentInnen. Die SRVS gliedert sich in sechs Arbeitsbereiche: Es gibt SekretärInnen für interne Angelegenheiten, Finanzielles, internationale Beziehungen, akademische Angelegenheiten, soziale Angelegenheiten und für Öffentlichkeitsarbeit.

Die Wahlbeteiligung an den Unis ist eher niedrig, sagt Jana Smelkova. „Es ist schon frustrierend, dass sich die StudentInnen kaum für Politik und ihre Vertretung interessieren." Auch die Studentin Kristina Jurkovicova beklagt, dass sich die slowakischen StudentInnen wenig organisieren: „Ich habe auch im Ausland studiert, dort war das ganz anders. Es gab Vereine für alles Mögliche. Hier haben wir nur die SRVS."
 

Rosanna Atzara hat Politikwissenschaft und Transkulturelle Kommunikation an der Universität Wien studiert. Jetzt studiert sie Journalismus und Neue Medien an der FH Wien der WKW. 

AutorInnen: Rosanna Atzara