Kommentar

Schulterklopftage

  • 10.04.2014, 13:41

Die Österreichischen Journalismustage, die am zweiten und dritten April 2014 zum ersten Mal organisiert wurden, hatten ein hehres Ziel: Statt wie sonst nur über Reichweite, Verbreitungskanäle und Finanzierung zu sprechen, wollte man „guten Journalismus“ und „gute Geschichten“ zum Thema machen.

Die Österreichischen Journalismustage, die am zweiten und dritten April 2014 zum ersten Mal organisiert wurden, hatten ein hehres Ziel: Statt wie sonst nur über Reichweite, Verbreitungskanäle und Finanzierung zu sprechen, wollte man „guten Journalismus“ und „gute Geschichten“ zum Thema machen.

Damit aus der eintägigen Konferenz im Museumsquartier doch noch die Journalismustage werden konnten, starteten die Journalismustage am Mittwochabend im Presseclub Concordia mit einer kurzen Einführung von Astrid Zimmermann, danach trug Florian Scheuba („Wir Staatskünstler“) aus seinem Programm vor. Das sollte dazu anregen, über die angeblich unklaren Grenzen zwischen Journalismus und Satire zu reflektieren, löste bei manchen aber eher Kopfschütteln aus. 

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Über Satiregeschmack lässt sich streiten – über die Frage, ob ein Satireprogramm über die österreichische Politik der letzten zwanzig Jahre so viel mit Journalismus zu tun hat, ebenfalls. Die befürchteten „Satiretage“ sollten jedoch ausbleiben, wurde auf twitter beruhigt.

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Eine Diskussion über die Frage, was Satire denn eigentlich darf, wäre auf jeden Fall lehrreicher gewesen.

Nach Frühstück und Begrüßung begann die eigentliche Konferenz gleich mit der Keynote, die ZiB2-Moderator Armin Wolf hielt. Er beantwortete die rhetorische Frage „Machen die Medien die Politik kaputt?“ mit einem deutlichen Jein, um dann die Fehlleistungen heimischer Politiker_innen aufzuzählen und genüsslich auszubreiten. Wenn „Medien“ die Politik kaputt machen, dann laut Wolf aber nicht die professionellen, sondern Online-Foren und soziale Medien. Das Leben von Journalist_innen würde dazu immer schwieriger, denn viele Politiker_innen hätten ein Mediencoaching und würden Interviewfragen nicht wie gewünscht beantworten. Fast hätte man glauben können, der Titel der Keynote sei „Macht die Politik die Medien kaputt?“ gewesen, da kam zum Schluss doch noch das wenig überraschende Eingeständnis, dass Medien „alles andere als fehlerlos“ seien. Wir lernen: Auch ein verdienter Journalist wie Armin Wolf ist nicht davor gefeit, sein Thema zu verfehlen. Und spricht nur dann von „Kolleginnen", wenn es um Ballkleider geht.

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Für alles andere reichten die „Kollegen“. Die ganze Keynote lässt sich auf diepresse.com nachlesen.

Das folgende Programm bestand vor allem aus Diskussionsrunden, denen ein kurzer Vortrag voranging. Über die Schwierigkeiten von guter Recherche, über gesponserte und organisierte Auslandsberichterstattung und über das oft problematische Näheverhältnis von Politik und Journalismus (schon wieder) wurde diskutiert, das aber wenig kontrovers. Wie auch, denn jene, die schlechten Journalismus machen, waren an den Journalismustagen nicht anwesend. So klopfte man sich gegenseitig auf die Schulter und zeigte mit dem Finger auf den Boulevard (oder „die Politik“), die nötige Selbstkritik blieb aber leider aus.

Spätestens beim Thema Auslandsberichterstattung zeigte sich, dass sich Journalismus leider nicht abgekapselt von der finanziellen Situation der Medienhäuser betrachten lässt: Auslandskorrespondent_innen sind teuer und wer sie sich nicht leisten kann oder will, schickt seine Journalist_innen eben auf die von NGOs oder Regierung bezahlten und organisierten Reisen. Am Podium und im Publikum schien eine gewisse Nostalgie vorzuherrschen, denn über die Zukunft des Journalismus wurde erstaunlich wenig gesprochen.

Lichtblicke waren die Präsentationen abseits der Diskussionsrunden. Ein Vertreter des Medienwatchblogs Kobuk zeigte ein „Best Of“ vergangener Medienpannen und -katastrophen. Boulevardmedien, insbesondere Gratiszeitungen kamen hier zur Belustigung der Anwesenden natürlich sehr schlecht weg. Die sogenannten „Kurzmeldungen“, in denen Journalist_innen fünf Minuten und fünf Slides lang Zeit hatten, ihre Thesen zum Journalismus vorzustellen, waren besonders erfrischend. Das Format, auf Technologie- und Hacker_innenkonferenzen als „Lighting Talks“ bekannt, lockerte die Konferenz auf und bot interessante Inputs, zum Beispiel über die Recherchemöglichkeit von staatlichen und amtlichen Informationen durch die Initiative „Frag den Staat“. Auch über Quellentransparenz, Links als Qualitätsmerkmal und sogenannte „he said she said“-Geschichten waren kluge Gedanken zu hören.

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Eindeutiger Höhepunkt des Tages war die Präsentation des Dossier.at-Schwerpunkts zum Thema Asyl. Florian Skrabal erklärte die Herangehensweise an Materialsammlung, Recherche und Aufbereitung des Pilotprojektes, das die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Österreich genauestens dokumentierte. Leider war der Saal des Quartier21 im Wiener Museumsquartier bereits deutlich leerer als noch am Vormittag.

Insgesamt dürfen die Veranstalter_innen der Journalismustage wohl zufrieden sein: das Event war gut (und in sehr kurzer Zeit) organisiert, die Räumlichkeiten ansprechend, die Geschlechterquote auf der Bühne ausgewogen. Die Themenauswahl hätte aber breiter sein können, denn abgedeckt waren so gut wie nur die  Ressorts „Wirtschaft“, „Innenpolitik“ und „Außenpolitik“. Feuilleton, Wissenschaft und Sport waren leider so gut wie kein Thema. Dabei gilt es auch in diesen Sparten, die eigenen journalistischen Arbeitsweisen immer wieder kritisch in Frage zu stellen. Journalist_innen mit Migrationshintergrund oder People of Colour fehlten ebenfalls auf der Bühne. Blogs und soziale Netzwerke kamen in den Diskussionen fast nur als Gegenspieler_innen der klassischen Medien vor. Dabei hat Österreich doch grandiose Projekte wie zum Beispiel neuwal.com. Freie Medien (wie z.B. die freien Radios, freie Kanäle oder Zeitschriften wie MALMÖ oder über.morgen) wurden weitestgehend ignoriert, dabei findet sich wirklich kritischer Journalismus oft in diesen Redaktionen. Wünschenswert wären neben einem kritischeren Umgang mit Sprache auch mehr Diskussion zur Zukunft von Journalismus, mehr Visionen darüber, wie Medien in zehn Jahren funktionieren könnten, gewesen.

Allerdings: Die Journalismustage 2015 sind angedacht und bringen hoffentlich einen tiefergehenden Diskurs über die österreichische Medienlandschaft.

 

Anmerkung: Auch Maximilian H. Tonsern besuchte die Veranstaltung. Seinen Eindruck könnt ihr hier nachlesen.

 

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

In persönlicher Integrität unangreifbar

  • 10.04.2014, 13:22

Am 03. April 2014 fanden in Wien die ersten Österreichischen Journalismustage statt. Namhafte JournalistInnen trafen sich mit anderen, eher unbekannteren, aber nichtsdestotrotz dennoch qualitativ hochwertig arbeitenden KollegInnen zum Stelldichein. Von kritischen Blicken, Verhaberung mit Bier und vielen aufgestellten Thesen.

Am 03. April 2014 fanden in Wien die ersten Österreichischen Journalismustage statt. Namhafte JournalistInnen trafen sich mit anderen, eher unbekannteren, aber nichtsdestotrotz dennoch qualitativ hochwertig arbeitenden KollegInnen zum Stelldichein. Von kritischen Blicken, Verhaberung mit Bier und vielen aufgestellten Thesen.

Einen kritischeren und etwas ehrlicheren Blick auf „die Branche“ zu werfen, das war laut Ingrid Brodnig (Falter) Sinn und Zweck der Journalismustage, die am 2. und 3. April im Museumsquartier in Wien stattfanden. Brodnig, die neben Josef Barth (Forum Informationsfreiheit), Mitglied des Organisationsteams war und auch selbst einen kurzen Vortrag zur Quellentransparenz hielt, wollte einen Mix aus Journalisten und Journalistinnen, die entweder schon lange im Geschäft sind und „wissen, wie der Hase läuft“, oder die noch nicht so weit in ihrer Karriere sind und dennoch schon spannende eigene Projekte aufgestellt haben.

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Mit Referenten und Referentinnen wie Renate Graber (Der Standard), Antonia Gössinger (Kleine Zeitung), Martin Staudinger (profil) und Martin Blumenau (FM4) sowie Armin Wolf (ORF) gelang dieser Mix durchaus. Wolf, der den Hauptteil der Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Machen Medien Politik kaputt?“ eröffnete, startete damit eine durchaus selbstkritische und  bemühte Vortragsreihe, die im gesamten nur dadurch negativ auffiel, dass sich fast niemand um gendergerechte Sprache kümmerte.

Wolf, der die Frage in den Raum warf, ob Medien Politik kaputt machen respektive ob es nicht gar die Politiker und Politikerinnen seien, die ihren Berufsstand zerstören, konnte die Frage im Vortrag nicht beantworten. Dennoch wartete er mit interessanten Statements auf. Und mit Zugeständnissen: „Nicht immer ist das, worüber am ausführlichsten berichtet wird, auch das Wichtigste. Nicht jede Journalistenfrage ist immer von überragender Sachkenntnis getragen.“

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Weiters denkt er, dass der Journalismus eine Branche sei, in der Selbstkritik vernünftigerweise relativ offen verläuft – und es notwendig sei, dass das Publikum Medien auf Fehler hinweist. Die passieren nämlich häufig und öfters als in anderen Berufen. Die Gründe darin findet Wolf im extremen Zeitdruck und in der geringen Größe österreichischer Redaktionen.

Nach Wolf betrat Renate Graber, Wirtschaftsredakteurin von Der Standard, das Podium. Sie sprach über den schmalen Grat zwischen Mut und journalistischer Sorgfaltspflicht. Durch mehrere Praxisbeispiele bewies sie, dass Recherchieren durchaus Freude bereiten kann, aber auch Mut und vor allem Vertrauen von Seiten der Chefredaktion braucht. Mit dem mutigen Plädoyer, dass JournalistInnen manchmal an die Grenze gehen müssen, vor allem wenn der Staat Grenzen überschreitet, spricht sie auch die These, Journalismus müsse als vierte Macht im Staat fungieren, an. Diese Ansicht teilt auch Josef Barth, der die Journalismustage initiierte: „Ich glaube, es ist unglaublich notwendig, den Charakter von Journalismus als vierte Macht in Österreich aufrechtzuerhalten.

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es aber von bekräftigenden Worten wieder zurück zu einer Diskussion rund um Fehler. Von Quellentransparenz, die keine Möglichkeit, sondern eine Verpflichtung sein sollte, war die Rede. Davon, dass Journalismus ein Gedächtnis braucht. Köpfe nickten, das Mikrofon wurde für Wortmeldungen herumgereicht. Und ein Teil der österreichischen Twitteria explodierte nahezu.

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Im weiteren Verlauf des Vormittages stellte Helge Fahrnberger ein Best-Of des erfolgreichen Medien-Watchblogs Kobuk.at vor und zeigte, dass nicht nur im Boulevard Kampagnenjournalismus und Spins zu finden sind. Nach der Mittagspause referierte Martin Staudinger (profil) über Auslandsberichterstattung und dessen Achillessehne. Die reißt nämlich gerne, wenn AuslandsjournalistInnen Reisen angeboten bekommen - zum Beispiel von Kanzler oder Caritas - und so wiederkäuen, was ihnen gegeben wird, anstatt sich selbst Geschichten zu suchen.

Zudem verlor er einige Worte zur Euromaidan-Krise. Diese war nämlich ein Armutszeugnis für den Journalismus: Es wurde erst umfassend berichtet, als es Tote gab, und jene, die bereits zuvor kontinuierlich berichteten, könne man an einer Hand abzählen. Weiters besteht ein krasser Gegensatz zwischen Kommentaren und Reportagen – anhand der Tageszeitung Der Standard, die aber mit dieser Negativserie nicht alleine im österreichischen Mediendschungel dasteht, wurde dies mehr als offensichtlich dargestellt.

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Im darauffolgenden „Kurzmeldungsblock“, in dem mehrere Referenten und Referentinnen jeweils fünf Minuten über diverse Themen sprachen, kamen nebst Ingrid Brodnig auch Christine Grabner (ORF), Markus Hametner (transparenzgesetz.at), Sonja Fercher (Freischaffende) und Dominik Sinnreich (Puls 4) zu Wort, ehe Antonia Gössinger (Kleine Zeitung) ihren Vortrag „Zu nah dran“ über die Begünstigung von JournalistInnen durch PolitikerInnen hielt.

Während es Armin Wolf am Vormittag noch in Ordnung fand, mit PolitikerInnen auf einen Kaffee zu gehen (Bier trinkt er nämlich nicht), da dies zum Job gehöre, plädierte Gössinger darauf zu achten, dass „der Journalist nur über ein Kapital verfüge – seine Glaubwürdigkeit.“ Und mit der habe er/sie gut umzugehen, denn Verhaberung mindere den Qualitätsjournalismus enorm. „Der Anspruch am Journalisten“, so Gössinger, „muss sein, dass er in seiner persönlichen Integrität unangreifbar ist.“

Seltsamerweise sprach Gössinger aber auch, wie schon ReferentInnen zuvor, davon, dass die „ältere Generation“ den jüngeren, unerfahrenen JournalistInnen vermitteln solle, wie journalistisches Handwerk zu funktionieren habe. Die Meinung, dass auch Jüngere den „Alten“ etwas mitteilen, zeigen und lehren können, schien unter den Vortragenden niemand zu vertreten.

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Nach Gössinger bewies Florian Skrabal mit Dossier.at, dass Idealismus durchaus belohnt wird - und es mehr als verdient, mit #goodjournalism betitelt zu werden. Nach dem letzten Klatschen kehrten die meisten der Besucher und Besucherinnen wieder dahin zurück, wo sie herkamen – in eine Redaktion. Um, vielleicht im Glauben gestärkt, weiterhin auszuüben, worüber den herrlichen Tag lang Diskurs geführt wurde: qualitativ hochwertigen Journalismus.

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Anmerkung: Auch Joël Adami besuchte die Veranstaltung. Seinen Eindruck könnt ihr hier nachlesen.

 

Maximilian H.Tonsern studiert Journalismus & PR an der FH Joanneum in Graz.

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

 

 

Über den „Guten Journalismus“ – Zwei Perspektiven

  • 10.04.2014, 13:05

Am 2. und 3. April fanden im Museumsquartier in Wien die Österreichischen Journalismustage statt.
Unsere beiden Autoren Joel Adami und Maximilian H. Tonsern waren unter den TeilnehmerInnen und beschrieben für progress online ihre Eindrücke. Zwei unterschiedliche Perspektiven:

Zwischen unangreifbarer Integrität und gegenseitigem Schulterklopfen – Die Österreichischen Journalismustage aus zwei Perspektiven

Am 2. und 3. April fanden im Museumsquartier in Wien die Österreichischen Journalismustage statt.
Unsere beiden Autoren Joël Adami und Maximilian H. Tonsern waren unter den TeilnehmerInnen und beschrieben für progress online ihre Eindrücke.

Dieselbe Veranstaltung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven:

 

In persönlicher Integrität unangreifbar - Maximilian H. Tonsern

Schulterklopftage - Joël Adami

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

Kollegial kolonial

  • 08.12.2013, 14:04

Jedes Jahr gibt es sie, die Kritiken um Zwarte Piet des niederländischen Sinterklaasfests. Dieses Jahr gab es sie besonders durch internationale Aufmerksamkeit. Damit einher ging eine große Bewegung von VerteidigerInnen der „Tradition“. Lisa Zeller kommentiert die Gegenstimmen des Protests.

Alle Jahre wieder gibt es sie, die Kritik um den Zwarte Piet (dt. schwarzer Peter) des niederländischen Sinterklaasfests. Dieses Jahr erregte die internationale Kritik an der Figur bei den VerteidigerInnen der kolonialgeschichtlichen "Tradition" die Gemüter. Lisa Zeller kommentiert die Gegenstimmen des Protests.

Tradition ist schon eine komische Sache. Man wächst mit ihr auf und weiß oft nicht, woher die Dinge kommen, die man als normal empfindet. Wenn diese dann kritisiert werden, versteht man es nicht. So müssen sich die zahlreichen NiederländerInnen fühlen, die sich jedes Jahr gegen immer größer werdende Kritik gegenüber einer ihrer wichtigsten  – wenn nicht sogar der wichtigsten – Weihnachtstraditionen zur Wehr setzen.

Zunächst hieß es an mehreren Stellen, die Vereinten Nationen hätten ein Untersuchungskomitee gegründet um zu prüfen, ob es sich hierbei um eine rassistische Tradition handele. Dann ließ ein Sprecher der UNESCO verkünden, dass es sich bei den Kritikpunkten um keine offiziellen UN-Kritiken handelte, sondern dass diese von einem - von den Mitgliedstaaten gewählten - unabhängigen Kommissariat für Menschenrechte kamen.

Einen Riesenaufruhr gab es jedenfalls unter den HolländerInnen, die ihre Lieblingstradition in Gefahr sahen. Dies ging so weit, dass besagte UN-InvestigatorInnen während ihrer Arbeit Todesdrohungen erhielten.
Repressionen gegen jede Form der Kritik gegenüber der Festlichkeit seitens der Bevölkerung gab es auch zuvor schon zur Genüge.

Im Jahr 2008 organisierten Petra Bauer und Annette Krauss eine Demonstration im Rahmen einer Ausstellung, die die Bedeutung von Zwarte Piet erläuterte. Auch diese Aktivistinnen erhielten Todesdrohungen, sodass das ausstellende Museum den Demonstrationszug absagte. Als „Ausländerinnen“ hätten sie zudem kein Recht gehabt, sich von der Zwarte Piet-Figur beleidigt zu fühlen.
Quincy Gario, ein niederländischer Aktivist, wurde während der Festlichkeiten im Jahr 2011 in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Zwarte Piet ist Rassismus“ verhaftet und erlebte massive Polizeirepressionen. Er beschreibt an mehreren Stellen, dass er aufgrund seiner Hautfarbe nicht als Niederländer gesehen wird und seine Kritik somit „weniger wert“ sei als die vieler anderer NiederländerInnen.

Das Rassistische an der Figur ist zum Einen die Praxis des Blackface, bei der sich weiße DarstellerInnen schwarz anmalen und im gleichen Atemzug meist überholte Klischees und Stereotype schwarzer Menschen nachahmen. So trägt der Zwarte Piet eine Afroperücke und oft auch Kreol-Ohrringe. In einem Interview mit Al Jazeera von 2012 sagte der Aktivist Gario zum Beispiel, dass Holland ein Land sei, in dem schwarze Kinder auf dem Spielplatz als „Zwarte Piet“ bezeichnet werden.

Es stellt sich die Frage, wie Gegenwartsgesellschaften mit Traditionen umgehen und wie inklusiv oder exklusiv diese sind. Umso wichtiger ist es, sich mit gewissen „Traditionen“ auseinanderzusetzen und vor allem kritische Stimmen anzuhören, ohne sie gleich anzugreifen.

Zwarte Piet war nämlich nicht immer „Tradition“. Die Festlichkeit wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ohne Zwarte Piet gefeiert.

Die Figur kam erstmals 1845 in der Geschichte eines Lehrers aus Amsterdam vor, Jan Schenkman „St. Nikolaas en zijn knecht“ („Nikolaus und sein Knecht“). In der Geschichte kommt Sinterklaas in einem Dampfschiff aus Spanien mit einem „schwarzen Helfer“, der einen afrikanischen Hintergrund hatte. Piet steckte unartige Kinder in einen Sack und nahm sie mit nach Spanien, angelehnt an die in mehreren europäischen Ländern verbreitete Idee eines Gegenstücks zum Weihnachtsmann (wie etwa dem Krampus). Das Buch war sehr beliebt und mit ihm begann der Einschluss der Zwarte Piet-Figur in der niederländischen Weihnachtsfestivität.
Wohlgemerkt erstreckte sich zu dieser Zeit das niederländische Imperium auf drei Kontinente. Teil dieses Imperiums waren Kolonien in Surinam und Indonesien, in denen auch der Sklavenhandel florierte. In der Vergangenheit hatte Zwarte Piet sogar einen surinamischen Akzent und spielte die Rolle eines Narrs.
Einige Argumentationen beziehen sich darauf, dass die Figur nicht auf den Sklavenhandel zurückzuführen sei, sondern auf Muslime aus der Nordafrikaregion, die wegen ihrer Religion gefürchtet waren.
Beide Zugänge enthalten jedenfalls rassistische Elemente, die sich eher gegenseitig bedingen, als sich auszuschließen.
Inzwischen sind die Rollen der jeweiligen „Helfer“ zwar diverser als in der einfachen Rolle des Narrs zuvor, doch die Unreflektiertheit der NiederländerInnen ist angesichts der Geschichte sehr beunruhigend.
Warum halten sie so klammerhaft an einer „Tradition” fest, die während des Höhepunkts der niederländischen Kolonialära entstanden ist?

Man könnte wie viele aus heutiger Sicht sagen, es ginge nicht darum, irgendwen zu beleidigen und es wäre ja nur für die Freude der Kinder.

Doch die HolländerInnen lieben ihren Zwarte Piet. So sehr, dass sie die Sicherheit anderer Menschen bedrohen. Die Facebook-Seite Pietitie (ein Wortspiel aus Piet und dem niederländischen Wort für Petition), die als Reaktion auf die Kritiken gegründet wurde, hat derzeit 2,1 Millionen Fans. Diese Reaktionenen kann man angesichts der Geschichte der Figur auch als kollegial kolonial bezeichnen.

Rassistische Übergriffe und Todesdrohungen an GegnerInnen sind allerdings Zeichen dafür, dass das Land bei der Aufarbeitung seiner Kolonialgeschichte noch einiges zu tun hat. Dabei sollten auch alle niederländischen Stimmen in die Diskussion miteinbezogen werden.

KritikerInnen betonen, dass Unabsichtlichkeit und Rassismus nah beieinander liegen. Doch genau in dieser Unabsichtlichkeit manifestieren sich rassistische Praktiken und das Problem wird auf andere - meistens politisch rechts stehende - Menschen, geschoben. Eine Reflexion über die eigenen und persönlichen Rassismen erfolgt viel zu selten.

Leider wirkt da das Argument, Zwarte Piet sei schwarz, weil er sich in den Kaminen schmutzig mache, wie eine faule Ausrede – zumal weder seine knallroten Lippen (übrigens auch ein Element rassistischer Darstellungen durch Blackface) noch seine Klamotten vom „Schmutz“ betroffen sind.

Auch die unreflektierte Aussage des niederländischen Premierministers Mark Rutte: „Der Name sagt es schon. Er ist schwarz. Ich kann da nicht viel tun“, zeugt von dem Unwillen, sich mit dem Thema und der geschichtlichen Vorbelastung auseinanderzusetzen.

Erfreulicherweise gibt es jedoch auch modernere Versionen des Zwarte Piet, die manchmal nicht mehr “schwarze” Helfer sind, sondern bunte. Wenn es also wirklich um die Kinder geht, ist eine bunte Welt doch auch viel schöner.

 

Die Autorin studiert Internationale Entwicklung und Transkulturelle Kommunikation an der Uni Wien.

 

Warum sich wählen gehen lohnt

  • 04.05.2013, 21:15

Wahlaufrufe von Sieglinde Rosenberger, Mirjam Unger und Kurt Palm.

Wahlaufrufe von Sieglinde Rosenberger, Mirjam Unger und Kurt Palm.

Sieglinde Rosenberger. Fotos: privat

Knappe Ergebnisse

Die ÖH ist eine repräsentative Institution. Sie vertritt die Studierenden sowohl in hochschulpolitischen Fragen an den Universitäten und Fachhochschulen als auch gegenüber dem Wissenschaftsministerium. Zudem bringen sich ÖH-FunktionärInnen in gesellschaftspolitische Konflikte ein – in Konflikte, die nicht unmittelbar und direkt mit Universitäten und Fachhochschulen, aber mit Bildung und Ausbildung im weiteren Sinne zu tun haben.

Repräsentation ist also Vertretung, sie läuft aber auch auf Präsenz hinaus. Mittels Wahlen wird (maßgeblich) entschieden, wer in Gremien präsent ist, wessen Stimme direkt gehört wird und wessen Stimme von wem vertreten wird. Wer jene sind, die Anliegen und Interessen vertreten, ist keine unwesentliche Angelegenheit. Dies verdeutlichen die Plakatwälder vor den Uni-Gebäuden, die vielen Flyer, die Studierende oft neugierig, aber auch widerwillig entgegennehmen. Die mehr oder weniger provokanten Slogans, die lautstarken Versprechungen und Forderungen machen deutlich, dass sowohl die Stärke der ÖH in Gesprächen mit dem Wissenschaftsminister als auch die Stärke der Fraktionen vor Ort nicht unerheblich ist. Schließlich hängt die Legitimität, stellvertretend für Andere zu sprechen, ein Stück weit von der Wahlbeteiligung ab. Aber nicht nur die Legitimität, sondern auch die konkrete Interessenspolitik an den Universitäten und Fachhochschulen, hängt von der Zahl der abgegebenen Stimmen ab.

Die Beteiligung an den ÖH-Wahlen war in den letzten Jahren eher gering. Etwas zynisch gilt, je weniger zur Wahl gehen, desto gewichtiger ist jede einzelne Stimme. Tatsächlich passiert es immer öfter, dass äußerst wenige Stimmen ein Wahlergebnis grundsätzlich verändern – siehe etwa die Präsidentschaftswahl in den USA 2000, wo etwa 500 Stimmen zwischen George W. Bush und Al Gore entschieden haben, oder erst kürzlich in Kärnten, wo eine einzige Stimme den Ausschlag gegeben hat, dass ein Reststimmenmandat vom BZÖ zu den Grünen gewandert ist. Ähnlich knappe Ergebnisse dürfen wohl auch bei der kommenden ÖH-Wahl erwartet werden.

Sieglinde Rosenberger, Politologin
 

Kurt Palm

Wer heute nicht wählt, wird morgen gequält

Stell dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin. Okay, ich weiß, der Bart dieses Spruchs ist ungefähr so lange wie der von Billy Gibbons und Dusty Hill von der Band ZZ Top (Beer Drinkers and Hell Raisers; Arrested for Driving While Blind etc.), trotzdem könnte er aufgrund der Tatsache, dass bei den letzten ÖH-Wahlen nicht einmal mehr 30 Prozent der StudentInnen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, bald Wirklichkeit werden. Auf der einen Seite ist es verständlich, dass angesichts des Grauens, das sich in den Niederungen der Politik abspielt, viele Menschen von Wahlen nichts mehr wissen wollen, auf der anderen Seite stellt sich aber die Frage: Wem nützt es?

Tatsache ist, dass das Kapital, dem die etablierten Parteien ja nur noch als Staffage dienen, an einem demokratischen Meinungsbildungsprozess absolut kein Interesse hat. Wie sagte doch kürzlich der deutsche Finanzminister Schäuble, nachdem die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds das Zypern-Problem auf ihre Weise „gelöst“ hatten: „Eine Zustimmung des Parlaments in Nikosia ist nicht mehr nötig.“ 

Kein Wunder also, dass Wahlen immer mehr zu inhaltsleeren PR-Shows verkommen, wo einem oft nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt. Ein deutliches Indiz dafür ist ja auch das völlige Versagen der Sozialdemokratie und deren Kapitulation vor dem neoliberalen Wahnsinn, wodurch sich das Vakuum links von der Mitte in den letzten Jahren bedrohlich vergrößert hat. 

Natürlich stellt sich in Anbetracht dieser bedenklichen Entwicklung die Frage, ob Wahlen überhaupt noch einen Sinn haben. Ich glaube, dass gerade die Geschichte der StudentInnenbewegung der letzten Jahrzehnte gezeigt hat, dass Wahlen vor allem dann einen Sinn haben, wenn sie als Teil des Widerstands verstanden und mit außerparlamentarischen Formen des Protests verknüpft werden. Ein Gremium wie die ÖH kann dabei eine wichtige Rolle spielen, weshalb deren Stärkung durch eine hohe Wahlbeteiligung zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung wäre. Über eine geringe Wahlbeteiligung würden sich vor allem jene freuen, die die Universitäten zu bloßen Ausbildungsstätten für kritiklose Befehlsempfänger degradieren wollen, weil sie dann nicht einmal mehr in den Gremien mit Widerstand rechnen müssten. 

Und über eines sollte man sich auch im Klaren sein: Wer heute nicht wählt, wird morgen gequält.

Kurt Palm, Autor und Regisseur

 

Mirjam Unger

Möglichkeiten zur Verbesserung

Warum es sich lohnt, wählen zu gehen? Prinzipiell bin ich immer dafür, von der eigenen Stimme Gebrauch zu machen. Mit Demokratie kann ich mich an der Zivilgesellschaft beteiligen. Ich nehme jede Wahl wahr und gebe auch immer jemandem mein Kreuzchen. Weiß wählen ist nicht meins. Manchmal ist es die bessere Wahl, manchmal das kleinere Übel, denn die Chance, rechte Gruppierungen aufzuhalten, lasse ich mir zum Beispiel nicht nehmen und die Hoffnung auf die Möglichkeit von Verbesserung und Veränderung auch nicht. Gerade an der Universität kandidieren manchmal noch Menschen mit ungebrochenem Enthusiasmus und konkreten Ideen, die weiter gehen, als es der Mainstream erdenkt und zulässt. Das ist ein Wahlrecht, von dem ich Gebrauch machen würde, es spricht nicht viel dagegen. Eher vieles dafür.

Mirjam Unger, Filmregisseurin

We are helpless but not hopeless

  • 04.05.2013, 20:51

The Refugee Act of 1980 takes its definition of refugee from the 1951 United Nations Convention relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol. Until the late 19th century and the emergence of fixed and closed national boundaries, refugees were always absorbed by neighbouring countries. Later, immigration restrictions and increasing numbers of refugees necessitated special action to aid them. In 1921 Fridtjof Nansen created a League of Nations Passport to allow refugees to move freely across national boundaries. Refugee status at that time was accorded only if the migrant's departure was involuntary and asylum was sought in another country. In 1938 the definition of a refugee was expanded to include persons with a well-founded fear of persecution because of ethnicity, religion, nationality, group membership, or political opinion.

Later the definition was expanded again to include persons who have fled from their homes to other places in their own countries. Refugee status ceases to apply when the migrant either is resettled or returns home.

Why we started this protest.

Say this city has eight million souls,
Some are living in mansions, some are living in holes
Yet there's no place for us, my dear, yet there's no place for us.

We are refugees who have arrived in Austria to seek asylum to build a new life here. Our countries are devastated with war, military aggression, social backwardness and poverty because of colonialist politics. We have come from Pakistan, Afghanistan, Somalia, Nigeria, Gambia, Syria, Kurdistan, Iran, Chechnya etc. and now we are stuck here in the refugee camp Traiskirchen. In this camp, we expected to get help and support from Austria. But the Austrian state showed us that we are not welcome here. We are staying in refugee camps and facing bad conditions.

Basic Rights. We demand basic rights from the Austrian government, the European Union and for all refugees worldwide. We call on the Austrian government to fulfill its responsibilities towards the refugees. We will continue our actions until our voices are being heard and our demands met.

Once we had a country and we thought it fair,
Look in the atlas and you'll find it there:
We cannot go there now, my dear, we cannot go there now.

On the 24th of November 700 persons including 400 persons from civil society demonstrated against the bad conditions of the refugees – not only in Traiskirchen but also in other camps and accomodations in Austria.

„What we need? Our rights.
What we demand? Our rights“ was the slogan of this protest and until now it’s our guideline for the protest. It was a cold season and refugees preferred to live in the open air in Votivpark instead of the camps from the government. Sometimes it was raining, sometimes snowing but these things never crushed the hopes of the refugees. When we got up in the morning our tents and our beds we were shuttered with water. Civil society of Austria brought warm clothes and warm blankets for us and also we were getting free vegetables and other eatable things. The media made it their business to cover the protests for a little while but could not do any helpful work for us.

In December the temperature dropped to minus zero and for the first time we were worried about the health conditions of these refugees. So somehow on 18th December we managed to take shelter in the Votivkirche. Before the refugees some homeless people had already done the same thing. But when we entered the church, politicians – especially the right wingd and racist people – spoke of an OCCUPATION: „Refugees occupy the Votivkirche“. The priest of this church was never friendly with us. He kicked our beds in the morning with his feet but we could not say anything because after all we were refugees. On the 22nd of December, when we were fed up and we had no other option, we started an hunger strike that lasted for 30 days. At this time we had only two demands:
1. Legal Status in Austria.
2. Access to the Labour Market.

It was a new experience for us. For these refugees it was the first time in their life that they were doing a hunger strike. On the one hand they were fighting with hunger and on the other hand they had the cold temperature inside the church. After ten days the refugees’ condition was miserable and some of them had to be admitted to hospitals. Each person had lost five to ten kilos. Their faces became pale, they were not able to walk and spent all the time inside their beds because they had no power left in their bodies. Some people got mental problems, some with their kidneys and some were suffering from the flu or had a cold. No one took pity on these refugees. Even the UNHCR refused to meet us, altough they say that they are responsible for all the refugees in Europe. A delegation of four persons made an appointment with them but when we were on the way to UNHCR, they canceled this meeting, saying that they didn’t have any meeting room for us and that we could meet outside in a coffee shop or in some park. Alas UNHCR has a big building in the center of Vienna but they don’t have any room to meet for refugees. Because they don’t want to involve themselves in this protest and refuse to help these refugees because these refugees are not seen as human beings.

Dreamed I saw a building with a thousand floors,
A thousand windows and a thousand doors;
Not one of them was ours, my dear, not one of them was ours.

Disappointment. Then Mr. Schönborn came to visit the refugees and did bring an offer to us, to give up the hunger strike: TAKE ONE STEP and I will try to make negotiations with the government and evacuate this church and I will take you to my private property ‘Servitenkloster’. There you can start your protest and I will politically support you, but first you have to give up the hunger strike. At that time we gave up the hunger strike and gave the authorities ten days. But nothing happened and we had to start a new hunger strike because the government was not serious in the matter of refugees. During this pause of the hunger strike we only received one offer: That they would reopen our cases and provide us with the best lawyers of Austria, who will fight for our cases. Was that the price of our 30 days hunger strike? Only to reopen the cases? Besides, we knew that reopening the cases will not help us. Its just a drama enacted by Innenministerium.

So we resumed the hunger strike. I wrote a letter to Mr. President Dr. Heinz Fischer and told him about the whole situation and the miserable conditions of the hunger strikers. Unexpectedly he replied to that letter and published it in the newspaper showing sympathy with the refugees. However there was no hopeful thing in that letter and he emphasized that we should leave the church and give up the hunger strike. Again, we gave up the hunger strike and tried to make negotiations with the government, but had to face arrests of the refugees, who were in the church.

Stood on a great plain in the falling snow;
Ten thousand soldiers marched to and fro:
Looking for you and me, my dear, looking for you and me.

The police could not enter the church, but they constantly came inside in civil clothes and then arrested the refugees outside the church. They took them to deportation centers. We refugees had to start a hunger and thirst strike in Schubhaft. So they had to release us, because if anyone would die in the jail, that would be a problem for them.

At the same time some right-winged, racist persons came inside the church and demanded to kick the refugees out of of the church. Otherwise they would also do a hunger strike. We gave too much respect to these peoples, offered them tea and coffee and tried to talk with them. However, they didn’t want to talk with us and in the evening they had to leave the church, because it was too cold for them and they were not brave like the refugees inside.

Then again we received a letter from Mr. Schönborn, saying we should change the place and start our new political struggle in Servitenkloster. We started making negotiations with them. On the 2nd of March we shifted to Servitenkloster and when we saw the conditions in which we were going to live, we were shocked. It was a basement and looks like a stable for animals. There were no windows or ventilations. When we refused to live there, they opened some rooms on the 2nd floor, where there were still no bathrooms and kitchens. For the first 18 days nobody took care of us. No food was provided by Caritas or the representatives of the church. The refugees had to buy food with money from their own pockets. Before leaving the Votivkirche, we had had a meeting with the representatives of the church and they had told us that we would be their guests in the Kloster.

In this meeting we had agreed on the following points:

1. Refugees will be provided with legal assistance by the church.

2. Police will not enter inside the church and they will not arrest any refugee
    who is registered at Servitenkloster

3. The Monestary will be a place, where we can restart our protest again

4. This place will not be treated like camps.

But these were only broken promises. Eight days before getting any legal assistance 29 refugees started getting LOVE LETTERS from Fremdenpolizei. Refugees who went there for an interview had to sign some kind of Deportation letters.

Reality Check. Once there was a delegate from Inner Ministry and they brought forward a Megaproject for the refugees: If you return voluntarily to your country we will pay you 7000 Euros. Although the news reported that all governments warned their residents not to travel to Pakistan because it is not safe for them, is it safe for the Pakistani refugees? The refugees only replied with a simple answer: We will pay for a journey to Pakistan for your Interior minister and she goes there without security. If she comes back, we will voluntarily return to our country.

Went to a committee; they offered me a chair;
Asked me politely to return next year:
But where shall we go today, my dear, but where shall we go today?

Now, we are still struggling and fighting for our rights and we are in negotiations with the authorities. But the people who brought us to the Servitenkloster and who are responsible for our future have currently disappeared or don’t want to confront us. Two weeks ago one refugee got some mental problem, that was so serious that he became aggressive and doctors sent him to Otto Wagner hospital. He is still admitted there. Yesterday a refugee from our protest was attacked by some unknown persons. They hit him with knives and he is still in the hospital. I hope that days will come, when we get something from our struggle and that those days are not far. We are helpless but not hopeless.

Went down the harbour and stood upon the quay,
Saw the fish swimming as if they were free:
Only ten feet away, my dear, only ten feet away.

Walked through a wood, saw the birds in the trees;
They had no politicians and sang at their ease:
They weren't the human race, my dear, they weren't the human race.

 

Shahjahan Khan is a refugee from Pakistan and is taking part in the refugee protest for months. He is currently living in the Servitenkloster in Vienna and fighting for his rights day by day.

Tag der Ehre

  • 06.12.2012, 10:24

In Ungarn wird am „Tag der Ehre“ und am Tag der „Schlacht um Budapest“ SS-Verbündeten gedacht. Ein Gastkommentar von Magdalena Marsovszky.

In Ungarn wird am „Tag der Ehre“ und am Tag der „Schlacht um Budapest“ SS-Verbündeten gedacht. Ein Gastkommentar von Magdalena Marsovszky.

Nächsten Februar ist es wieder so weit: Neben Dresden richtet man die Aufmerksamkeit auf Budapest, denn die ungarische Hauptstadt ist in den letzten Jahren zum Schauplatz des zweitgrößten Nazi- Aufmarsches in Europa geworden. Bis 2010 fanden die Kundgebungen inmitten der Hauptstadt auf dem imposanten Heldenplatz statt. Seither sind sie in die umliegenden Wälder verlagert worden. Doch die Hauptstadt ist deshalb am 11. Februar keineswegs verwaist: Der „Gedenktag“, der seit 2005 auch auf dem Burgberg stattfindet und von der Kommunalverwaltung, der Regierungspartei Fidesz und vom Militärhistorischen Museum ausgerichtet wird, zieht weiterhin alte und neue Nazis aus ganz Europa an. Ihre Zahl ist vorerst gering, steigt aber stetig. Heuer waren etwa dreihundert dabei.

Anlass des „Gedenkens“ rund um den 11. Februar ist der Ausbruch mehrerer zehntausend deutscher und ungarischer Soldaten aus dem von der Roten Armee eingekesselten Stadtteil auf dem Burgberg in Buda im Jahre 1945, bei dem mehr als 39.000 Menschen ums Leben kamen. Der erste Gedenkmarsch fand 1997 mit etwa 150 TeilnehmerInnen in der Burg statt, die erste Gedenkveranstaltung unter dem Titel „Tag der Ehre“, organisiert von B&H Hungaria am 9. Februar 2003, bereits am imposanten Heldenplatz. Die B&H Hungaria, 1998 mit etwa 500 bis 600 Mitgliedern ins Leben gerufen, war damals eine der aktivsten Neonazi-Organisationen Ungarns. Dennoch wurde sie 2002 als gemeinnütziger kultureller Verein anerkannt, weil in ihrer Satzung als Ziel „die Erschaffung einer organisch gewachsenen und auf starkem nationalem Bewusstsein und sozialer Gerechtigkeit basierende Gesellschaft“ sowie die Unterstützung von „benachteiligten Rockmusikern“ stand. Man darf nicht vergessen, dass zwar im Mai 2002 die völkische Koalition, angeführt von Fidesz (1998–2002), von einer sozialliberalen Koalition abgelöst wurde, aber vorausgegangen waren vier Jahre intensive völkischkulturpolitische Mobilisierung.

Waren 2004 etwa 500 TeilnehmerInnen an der Neonazi-Veranstaltung beteiligt, erreichte ihre Zahl bis 2009, dem Jahr, in dem sie verboten wurde, die 2000. Im Jahr nach ihrem Verbot, 2010, gelang es den Neonazis, die Behörden auszutricksen. Wegen der Parlamentswahlen in Ungarn im April war es bereits Mitte Februar möglich, Veranstaltungen, die als Teil der Wahlkampagne deklariert wurden, legal durchzuführen. So gründeten sie in Eile eine neue Partei mit dem Namen Nationale Revolutionäre Front (MNF), die dann etwas verspätet, am 13. März als Wahlkampagne getarnt, in die Burg marschierte und vor einer Gedenktafel am Fuße des Magdalenenturmes am Kapisztrán Platz im ersten Stadtbezirk Budapests Kränze niederlegte. Dies ist die Gedenktafel, die am 12. Februar 2005 vom Bürgermeisteramt des ersten Bezirks von Budapest und vom Militärhistorischen Museum „zum sechzig jährigen Gedenken den ehrenhaften Soldaten gewidmet“ wurde, „die in der Schlacht um Budapest heldenhaft starben“. Seit jener Zeit begeht also auch die größte Partei Ungarns den Gedenktag, allerdings unter dem Namen „Schlacht um Budapest“. War also 1997 lediglich eine kleine Neonazi-Gruppe an dem Gedenktag interessiert, hat er mit der Zeit nicht nur Eingang in die Erinnerungspolitik in der Mitte der Gesellschaft gefunden, sondern ist seit 2010 kulturpolitisch für das gesamte Ungarn maßgeblich, weil Fidesz – zusammen mit der KDNP (Christlich Demokratische Volkspartei) – seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2010 die Regierung des Landes bildet.

Die Gedenkfeier, organisiert vom Militärhistorischen Museum mit dessen Direktor, Generalleutnant a. D. József Holló, und dem Bürgermeisteramt des ersten Bezirks mit Bürgermeister Tamás Gábor Nagy, verläuft auch hier jedes Jahr gleich: Zunächst halten an der Gedenktafel zwei als Soldaten gekleidete Männer Ehrenwache in Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg – Leihgaben aus dem Militärmuseum. Im Tarnanzug schildert Holló in seiner Ansprache die Ereignisse und die damit verbundenen menschlichen Leiden auf der Seite des Militärs und unter den ZivilistInnen. Er zitiert immer wieder ein Gedicht des vor einigen Jahren verstorbenen ungarischen Dichters und Sängers Tamás Cseh, das heutzutage als wahre Hymne im Zusammenhang mit dem Gedenktag in Umlauf ist: „Eines Nachts haben die Deutschen Buda nicht mehr länger verteidigt“, heißt es darin, „weil draußen, am Széna Platz die Russen warteten /.../ und das Feuer eröffneten. /.../ hier lagen viele Zehntausende /.../“.

Bürgermeister Nagy spricht zwar über das Verhältnis von individueller und kollektiver Verantwortung, doch an eine reflexive gesellschaftliche Verantwortung, die auch den Holocaust miteinbezieht, denkt er nicht. Niemand weist darauf hin, dass etwa ein halbes Jahr vor der „Schlacht um Budapest“, im Sommer 1944, durch die bereitwillige Mithilfe Einheimischer binnen acht Wochen beinahe eine halbe Million ungarischer Juden und Jüdinnen deportiert wurde. Nach ihrer Machtübernahme im Oktober 1944 haben die Pfeilkreuzler sogar noch um die Jahreswende 1944/1945, also nur wenige Wochen vor dem Ausbruchsversuch, Tausende ungarische Juden und Jüdinnen am Ufer der Donau erschossen. Der Bürgermeister und der Generalleutnant a.D., vor deren Amtssitzen die „feierlichen Kranzniederlegungen“ jährlich stattfinden, erinnern in ihren Reden an den „Ausbruchsversuch der deutsch-ungarischen Garnison aus dem Budapester Kessel“, ohne dabei auch nur mit einem Wort zu erwähnen, dass damit verharmlosend Einheiten der Waffen-SS und deren ungarische Verbündete gemeint sind.

Im Gegenteil. „Ehrerbietung gehört demjenigen, der heilig ist“, sagte Nagy in seiner von den Medien als besonders bewegend erlebten Rede 2009: „… So auch den Soldaten, die im eisigen Februar, inmitten des Budapester Kessels trotz einer vielfachen Überlegenheit des Gegners und völliger Entkräftung, in völliger Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit /…/ dem Tod ins Auge blickten und bereit waren, ihr Leben für andere zu opfern.“ Er charakterisierte die Soldaten, entweder Mitglieder oder Verbündete der Waffen-SS, als, „heilig“ und ihr Verhalten als „beispielhaft“. Die Trauer und den Schmerz sowie die Katharsis der Erinnerung leitet er nicht etwa von der Seite der Opfer, aus dem Holocaust ab, sondern von der Seite der TäterInnen, von der Seite derer, die zumindest als Verbündete am Holocaust beteiligt waren. Dass diese Denkweise, die in der Antisemitismusforschung als „Täter-Opfer-Umkehr“ bekannt ist, erneut zum Antisemitismus führt, beweisen die Schlussworte des Bürgermeisters. Am Ende seiner Rede bietet er auch eine vermeintliche Lösung an, nämlich die Besinnung auf die Nation mit Hilfe des kulturellen Erbes.

Regelmäßiger Gastredner ist der Veteran Zsolt Lányi, Leiter des parlamentarischen Verteidigungsausschusses a. D., Präsident des Kameradschaftsvereins des 1. und 2. Königlichen Ungarischen Universitäts-Sturmbataillons. Er bittet darum, der noch lebenden Veteranen der ehemaligen Kampfverbände zu gedenken und wehrt sich entschieden gegen Vorwürfe, dass sie alle Faschisten gewesen seien. „Es ist furchtbar, wenn jemand, der als Held gefallen ist, im Nachhinein als Faschist diffamiert wird“, sagte er 2010. Veteran Ervin Galántay, der als Fahnenträger in Militäruniform der „Gedenkfeier“ beiwohnt und als 14-jähriger Kadett der ungarischen Armee selbst an den Kampfhandlungen teilgenommen hatte, sagte 2010 in einem Interview mit der Budapester Zeitung, für ihn sei die Verteidigung Budapests ein „moralischer Imperativ“ gewesen. „Der Name unserer Armee ist Honvéd“, sagte er, „was auf Deutsch so viel heißt wie Heimatwehr. Damals verteidigten wir unsere Heimat gegen zwei Aggressoren: Die Rote Armee und unseren Erzfeind Rumänien.“

Diese Denkweise, die ebenso wie die Anschauungen, die bei der Gedenkfeier von B&H Hungaria vertreten werden, auf der Täter-Opfer-Umkehr beruht, führt dazu, dass den „Bürgerlichen“ nicht selten „die Falschen“ zujubeln. So befinden sich unter den BesucherInnen der Gedenkfeier in der Burg immer wieder Männer in Thor-Steinar-Kleidung. Der Hass in Ungarn ist in den letzten zwanzig Jahren seit der Wende permanent gewachsen. Hätte man dem Land bis vor einigen Jahren kultur- und erinnerungspolitisch noch unter die Arme greifen und die Kultur- und Erinnerungspolitik demokratisieren können, so wird heute der „Opfermythos“ zur staatlichen Kulturpolitik erhoben und die Eskalation der Gewalt forciert. Magdalena

Marsovszky ist Kulturwissenschaftlerin, Lehrbeauftragte an der Hochschule Fulda und Vorstandsmitglied im Villigster Forschungsforum zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus e.v., sowie Vorstandsmitglied der in Ungarn tätigen Bürgerrechtsbewegung für die Republik.

Wehr dich!

  • 13.11.2012, 06:29

Staatliche Zwangsarbeit oder ein Nazi-Heer? Unsere Autorinnen streiten um die Wehrpflicht.

Staatliche Zwangsarbeit oder ein Nazi-Heer? Unsere Autorinnen streiten um die Wehrpflicht.

PRO: Berufsheer? Nur über meine Leiche

Das Bundesheer hat sich über die Nachkriegsjahrzehnte hinweg wahrlich keinen guten Ruf gemacht: Schikanen, Autoritarismus und Zwangsarbeit sind meist die ersten Assoziationen ehemaliger Präsenzdiener – manchmal gar gespickt von Episoden gruseliger Geschichten über Fahrtendienste auf den Kärntner Ulrichsberg, auf den das Bundesheer mehr als fünf Jahrzehnte gebrechliche Anhänger der NS-Zeit zu einem geschichtsrevisionistischen Herbsttreffen führen musste. Wer den Dienst beispielsweise an der burgenländischen Grenze zugeteilt bekam, hatte persönlichen Erlebnisberichten zu Folge vergleichsweise noch Glück: Gegen die unsägliche Langeweile der Steppenlandschaft konnten zumindest ein Computerspiel und täglich zig verschlungene Wurstsemmeln helfen. Weniger autoritär und zeitvergeuderisch, aber doch auch problematisch, verhält es sich mit dem Zivildienst: Er führt dazu, dass das gesamte österreichische Sozialsystem auf unterbezahlter Zwangsarbeit fußt, die wiederum Lohndumping im Sozialarbeitssektor zur Folge hat.

Die nun bei der kommenden Volksabstimmung gestellte Frage zur Abschaffung der Wehrpflicht oder des verpflichtenden Zivildienstes für junge Männer im kommenden Jänner aber lautet: ,,Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres oder sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?‘‘

Ein Berufsheer? Nur über meine Leiche. Denn: Wen würde ein solches Heer denn ansprechen? Gerade in Österreich steht zu befürchten, dass das Heer schnell von rechten WaffenliebhaberInnen eingenommen würde. Führen Nationalratswahlen dann auch noch zu einer Regierungsbeteiligung der FPÖ und die Koalitionsverhandlungen zu einem blauen Verteidigungsministerium, hat es das Nachkriegsösterreich wieder geschafft, eine eindeutige historische Kontinuität zu früheren Zeiten zu schaffen.

Die derzeitige Regelung des verpflichtenden Präsenzdienstes oder Zivildienstes ist demgegenüber eben abseits einer abzuschaffenden Schikane für junge Männer ein System der Checks and Balances: Durch seinen für alle jungen Männer verpflichtenden und damit offenen Zugang verhindert es, dass das Bundesheer zum Staat im Staat, beziehungsweise zu einer militärischen Macht in den Händen von VertreterInnen einer einzelnen politischen Position gerät.

Die Antwort auf dieses Dilemma kann aber freilich keine Positionierung für weitere Zwangsarbeit und österreichischen Massenmilitarismus auf niedrigstem Niveau sein. Sie könnte nur lauten, das Bundesheer gänzlich abzuschaffen. Denn ein – in der Realität nicht ,,neutrales‘‘, sondern viel mehr postnationalsozialistisches – Österreich professionell zu bewaffnen, ist viel zu gefährlich. Katastrophenschutz kann man anders organisieren und für humanitäre Auslandseinsätze sollte es ein Berufsheer eines direktdemokratischen EU-Parlaments geben. Die beim Volksbegehren gestellte Frage zielt also auf eine fragwürdige Entscheidungsmöglichkeit und wird in keinem Fall eine Verbesserung bringen – kann aber im schlimmsten Fall eine professionelle Bewaffnung extrem rechter Positionen bedeuten. Daher sollte ihre Beantwortung entweder zugunsten der Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht oder – vielleicht treffender – eine ungültig abgegebene Stimme und damit ein Protest gegen die Fragestellung selbst sein. (Flora Eder)

Contra: verlorene Zeit für die ,,Heimat‘‘  

Eine Radarstation im Burgenland bewachen, Leberkäs‘-Semmerl im Soldheim verkaufen oder die Aufsicht über die Wäschekammer in der Kaserne. Wie sinnvoll ist das Bundesheer in seiner jetzigen Form?

Zwar musste ich selbst keinen „Dienst am Vaterland“ leisten, aber die Geschichten guter Freunde und Bekannter reichten aus, um mir ein Bild vom Bundesheer und der Wehrpflicht zu machen. Ob diese Erfahrungen im späteren Leben wirklich hilfreich sind, lässt sich bezweifeln. Neben der Sinnhaftigkeit vieler Aufgabenbereiche im Bundesheer sprechen aber auch noch andere Gründe für die Abschaffung der Wehrpflicht.

Zu den Aufgaben des Bundesheers zählen unter anderem internationale Solidaritätsleistungen im Fall von Katastrophen, Konfliktverhütung und Friedenssicherung. Beispiele hierfür sind die UN-Friedensmissionen auf den Golanhöhen und im Kosovo. Die zweimonatige Grundausbildung der Präsenzdiener reicht hierfür nicht aus, deshalb kommen in solchen Einsätzen auch jetzt schon primär Berufs- und MilizsoldatInnen zum Einsatz. Wenn sich das neutrale Österreich an Friedensmissionen im Ausland beteiligen will, dann mit gut ausgebildeten und kompetenten BerufssoldatInnen. In einem Berufsheer würden die angehenden SoldatInnen auf einem viel höheren Niveau ausgebildet und somit umfassend auf ihre späteren Aufgaben und Einsätze im In- und Ausland vorbereitet werden.

Eines der Hauptargumente für die Wehrpflicht ist, dass ein kleineres Berufsheer den (Natur-)Katastrophenschutz im Land nicht gewährleisten kann. Zwar stimmt es, dass Österreich im Falle einer Naturkatastrophe weniger Frauen und Männer zur Verfügung hätte, allerdings handelt es sich dann um SpezialistInnen. Diese können effizientere und somit bessere Hilfe leisten – Qualität vor Quantität also. Außerdem gibt es die Option, auf freiwilliger Basis einen Pool an KatastrophenhelferInnen aufzubauen, im Ernstfall zusätzlich mobilisiert.

Im Zuge der Wehrpflichtdebatte wird außerdem oft auf den Zivildienst als unverzichtbaren Bestandteil des österreichischen Sozialsystems verwiesen. Der Abschaffung der Wehrpflicht würde auch der Zivildienst zum Opfer fallen. Doch wie fortschrittlich ist ein Land, dessen Gesundheitsversorgung auf unterbezahlten und schlecht eingeschulten jungen Männern aufbaut? Das Argument, dass der Staat Österreich aus finanziellen Gründen auf die Zivildiener angewiesen sei, kann nicht geltend gemacht werden. Mit einem freiwilligen sozialen Jahr könnte ein Großteil der Zivildienst-Stellen nachbesetzt werden. Diese jungen Menschen würden erstens fair entlohnt und zweitens auch besser vorbereitet und ausgebildet werden.

Grundsätzlich sollte in der gesamten Diskussion nicht vergessen werden, dass es sich bei der Wehrpflicht – ob Mann nun Rekrut oder Zivildiener ist – um staatliche Zwangsarbeit handelt. Auch wenn es manchmal in Österreich nicht so scheint, schreiben wir das Jahr 2012. Folglich sollte diese Art von staatlicher Arbeitsverpflichtung, und möge sie noch so sehr dem Wohl der Gesellschaft und der ,,Nation‘‘ dienen, schon längst Geschichte sein.  (Katrin Walch)

Eine Mär von der Gleichberechtigung

  • 13.11.2012, 06:19

Plädoyer für ein antimilitaristisches Europa. Ein Kommentar von Elisabeth Mittendorfer.

Plädoyer für ein antimilitaristisches Europa. Ein Kommentar von Elisabeth Mittendorfer.

Im Jänner 2013 soll in Österreich bei einer Volksbefragung über die Zukunft der Wehrpflicht für Männer entschieden werden. Bereits im Vorfeld wurde dadurch auch die Diskussion um vermeintliche Geschlechtergerechtigkeit durch die Wehrpflicht losgetreten: Werden Männer durch die einseitige Wehrpflicht diskriminiert? Ist es legitim, im Sinne der Gleichberechtigung den Wehrdienst oder einen Ersatzdienst für Frauen zu fordern?

 Derzeit regelt der Artikel 9a im Bundes-Verfassungsgesetz die Wehrpflicht nur für Männer. Frauen können freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen Dienst zu verrichten. Die Debatte um die Wehrpflicht für Frauen ist nicht neu: Bereits im Jahr 2010 wurde die Forderung nach einer Änderung dieses Gesetzestextes im Rahmen der Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht zur Sprache gebracht. Der oberösterreichische Kameradschaftsbund, ein Verband von Alt-Soldaten, sammelte Unterschriften für ein Volksbegehren zur Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen. Die erforderlichen 8032 Unterstützungserklärungen konnten aber nicht aufgebracht werden.

Bundespräsident Heinz Fischer sagte damals in einem Interview, dass er sich eine Wehrpflicht für Frauen vorstellen könne, sobald alle Ungleichbehandlungen zwischen Männern und Frauen abgebaut seien. SPÖ- Frauenministerin Heinisch-Hosek will über eine Wehrpflicht für Frauen erst reden, wenn die Lohnschere geschlossen und unbezahlte Arbeit gerecht verteilt ist.

Mit dem Argument „Wenn Frauen gleichberechtigt sein wollen, dann sollen sie auch zum Heer gehen“ wird vor allem im Dunstkreis von Männerrechtlern immer wieder aufgewartet. So ist die Wehrpflicht für Frauen auch eine der politischen Forderungen der Männerpartei. Einen Vorstoß in diese Richtung wagte im September auch der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbucher, indem er sich für eine Ausweitung der allgemeinen Dienst- und Wehrpflicht auf Frauen aussprach, um in diesem Bereich Gleichberechtigung herzustellen. Die Vorsitzende des SPÖ-Landtagsklubs in Oberösterreich, Gertraud Jahn, reagierte prompt mit einer Aussendung, in der sie klarstellte, dass eine „zusätzliche Dienstpflicht für Frauen keinesfalls in Frage kommt“. Ihre Begründung dafür lautete, dass Frauen nach wie vor die meiste ehrenamtliche Arbeit bei sozialen Diensten leisten würden.

Diejenigen, die für einen verpflichtenden Frauenwehrdienst eintreten und dabei das Argument vorbringen, dass Männer und Frauen gleiche Rechte und Pflichten haben sollten, vergessen nur allzu gerne, dass Österreich diesbezüglich noch immer erheblichen Nachholbedarf hat. Das zeigt auch der Gender Gap Report 2011, eine internationale Studie, in der die Gleichstellung der Geschlechter analysiert wird. Besonders schlecht abgeschnitten hat Österreich in Bezug auf die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen: In nur 19 Ländern der Welt ist sie noch größer. Neben dem niedrigeren Einkommen und der generellen Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt kommt hinzu, dass Frauen weniger Pension bekommen, sie Dienstjahre durch etwaige Karenzen verlieren und im 21. Jahrhundert noch immer den Großteil der – unbezahlten – Sozialaufgaben im privaten Bereich verrichten.

Angeborene Friedfertigkeit? Darüber hinaus ging es bei der einseitigen Wehrpflicht für Männer – historisch gesehen – nicht darum, Frauen zu bevorzugen. Lange Zeit wurde das Thema Frauen im Militär tabuisiert. Man traute Frauen schlichtweg nicht zu, den Staat zu verteidigen und verwehrte ihnen den Dienst an der Waffe. Traditionell wird Frauen nachgesagt, von Natur aus friedfertiger und körperlich nicht für militärische Handlungen geeignet zu sein. Gegen diese Vorurteile kämpfte Alice Schwarzer in dem Aufsatz Frauen ins Militär?, der im Jahr 1978 in der EMMA erschien. Darin sprach sie sich für den Zugang von Frauen zum Militär aus, wofür sie – unter anderem von feministischer Seite – scharf kritisiert wurde. Schwarzer begründete ihre Forderung damit, dass die einseitige Wehrpflicht letzten Endes auch ein Instrument dafür sei, die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu definieren und zu verfestigen. Frauen den Zugang zum Militär zu verwehren, sei folglich gleichbedeutend damit, sie nicht in Machtpositionen zu lassen. Dabei machte Schwarzer aber auch klar, dass sie selbst von Wiederaufrüstung, Kasernendrill und Waffengeprotze schon immer schockiert gewesen sei. Zwei Jahre später äußerte sich Schwarzer in dem Aufsatz PRO Frauen ins Militär (ebenfalls in der EMMA erschienen) wieder zur Thematik. Neben den bereits bekannten Argumenten erklärte sie in diesem Aufsatz aber auch, dass der Zugang von Frauen zur Bundeswehr keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herstellen würde, da in unserer Gesellschaft Frauen noch immer wesentlich mehr Pflichten hätten als Männer. Diese irrtümliche Annahme nannte sie eine Milchmädchenrechnung.

Trotz Schwarzers Einsatz sollte es in Deutschland noch elf Jahre dauern, bis auch Frauen freiwillig den Dienst an der Waffe antreten durften. Der Europäische Gerichtshof entschied im Jahr 2001, dass der Ausschluss vom Dienst an der Waffe gegen den gemeinschaftlichen Grundsatz der Gleichheit von Männern und Frauen verstoße. Im österreichischen Bundesheer sind Frauen seit 1998 zugelassen. Trotzdem gab es mit Stand September 2012 nur 369 Soldatinnen beim österreichischen Heer. Bei 15.812 BerufssoldatInnen macht das einen weiblichen Anteil von 2,3 Prozent.

Ein Auslaufmodell. Fakt ist: Die Wehrpflicht ist ein Auslaufmodell. Neben Österreich existiert sie nur noch in drei weiteren EU-Staaten – Finnland, Zypern und Griechenland. Die hauptsächlichen Tätigkeiten des Bundesheeres sind heute vor allem im Bereich der Katastrophenhilfe angesiedelt.

Auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext scheint die Vergrößerung des Bundesheeres, zu welcher die Frauenwehrpflicht unweigerlich führen würde, nicht gerade wünschenswert. Denn das Bundesheer ist letzten Endes Militär, das für Kriegseinsätze benötigt wird. Diese zu verhindern und Abrüstung zu forcieren, sollte unser aller Anliegen sein. Generell sollte aus einer antimilitaristischen Perspektive heraus niemand – weder Mann, noch Frau – dazu gezwungen werden, einen Wehrdienst ableisten zu müssen. Auch als Ersatz einen verpflichtenden Sozialdienst leisten zu müssen, ist kritisch zu hinterfragen, da der Zivildienst im Moment rechtlich nur durch einen Sonderstatus als Wehrersatzdienst legitimiert ist. Wird die Wehrpflicht nach der Volksbefragung tatsächlich abgeschafft, ist ein verpflichtender Sozialdienst als Zwangsarbeit im Sinne des Artikels 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu interpretieren und damit klar verfassungswidrig.

Die simple Frage „Frauenwehrpflicht – ja oder nein?“ greift in Anbetracht der oben angeführten Argumente zu kurz. Fazit ist: Die Einführung einer Wehrpflicht für Frauen wird nicht zur Gleichberechtigung führen. Im Gegenteil – sie würde den Prozess der Angleichung von Rechten und Pflichten zwischen Männern und Frauen verlangsamen und den Frauen eine zusätzliche Last aufbürden.

Letzten Endes kann Gleichberechtigung auf allen Ebenen nur in einem demokratischen und friedlichen Europa geschaffen werden. Auch die verpflichtende Wehrpflicht für Frauen wird diesen langsamen Prozess kaum beschleunigen können, sondern ihn eher noch bremsen.

Armut verboten

  • 29.09.2012, 17:21

In Ungarn werden wohnungslose Menschen zunehmend kriminalisiert.

In Ungarn werden wohnungslose Menschen zunehmend kriminalisiert. Wer wiederholt beim Schlafen auf der Straße erwischt wird, riskiert, ins Gefängnis zu kommen. Nachdem im Juli 2011 in Ungarn bereits Zwangsarbeit für arbeitslose Menschen eingeführt wurde, trifft die Repression der rechtspopulistischen Fidesz-Regierung seit Anfang Dezember nun eine weitere Bevölkerungsgruppe, die nicht ins Bild der tüchtigen ungarischen Volksgemeinschaft passt. Wie die Berliner Wochenzeitung Jungle World berichtete, erklärt das ein am 1. Dezember letzten Jahres eingeführtes Gesetz Wohnungslosigkeit zur Ordnungswidrigkeit. Werden Wohnungslose innerhalb von sechs Monaten zweimal beim Übernachten auf der Straße erwischt, droht ihnen ein Bußgeld von umgerechnet 500 Euro. Wer das nicht bezahlen kann (und das dürften die allermeisten sein), muss eine Ersatzhaft im Gefängnis verbüßen. Außerdem wurde das Suchen nach Essbarem in Mistkübeln und das Anbetteln von AutolenkerInnen an Ampeln verboten.

In die Wege geleitet hat all das der Bezirksbürgermeister des achten Budapester Bezirks Máté Kocsis. Für den Fidesz-Politiker stellt sich die „Obdachlosenfrage“ ganz einfach dar: „Es sind nur polizeiliche Fragen. Wenn wir die Obdachlosen nicht verdrängen, verdrängen sie die Bürger aus dem achten Bezirk“, wie er der ungarischen Zeitung Pester Lloyd sagte. Ursprünglich wollte er das Gesetz mittels einer Volksabstimmung legitimieren, die aufgrund der niedrigen Beteiligung aber keinen Erfolg hatte. Nichtsdestotrotz wurde das Gesetz am Ende doch durchgesetzt – die scheindemokratische Maßnahme war also nur ein PR-Gag. Ministerpräsident Orbán, der erst kürzlich öffentliches Lob von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) erhielt, hat Kocsis schließlich für seine „Leistungen“ zum „Referenten für Obdachlosenfragen“ im Parlament gemacht und die Regelung vom Bezirk auf das ganze Land ausgeweitet. Angesichts der Tatsache, dass jede vierte wohnungslose Person in Ungarn Rom oder Romni ist, erscheint das Gesetz klar als antiziganistische Ansage. Diese reiht sich als weiteres Glied in eine Reihe von Maßnahmen der Fidesz-Regierung ein, welche die ohnehin ausgegrenzte Minderheit zunehmend aus dem Stadtbild und der öffentlichen Wahrnehmung entfernen, um das Bild eines ethnisch homogenen Volkskörpers zu erzeugen.

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