Schlagabtausch: Grundeinkommen

  • 01.10.2012, 12:06

Grundeinkommen: Pro und Contra

PRO Grundeinkommen

ARBEIT NERVT. MUSS SIE ABER NICHT.

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zu sein, bedeutet nicht, bedingungslos für Grundeinkommen zu sein. Gegner_innen sind aber bedingungslos gegen eine grundsätzliche Existenzsicherung für alle. Den Diskurs des BGE nur entlang der Finanzierbarkeit zu führen, ist der einfachste Weg, um sich nicht mit den verschiedenen Aspekten von Grundeinkommen beschäftigen zu müssen. Visionen werden so dem Sachzwang geopfert. Ohne BGE ist Arbeit nicht mehr als ein Produkt, dessen Wertigkeit nicht rational daran bemessen wird, welche Auswirkungen es auf und für die Gesellschaft hat. Ihre Entlohnung orientiert sich stattdessen an irrationalen gesellschaftlichen Normen und Systematiken. Solange es Erwerbsarbeit im herkömmlichen Sinne gibt, die zur Sicherung von Existenzen benötigt wird, ist Arbeit ein Zwang – und damit ein wichtiger Faktor, wenn es um die zahlreichen Schieflagen in unserer Gesellschaft geht. Hingegen würde bedeuten, dass der Arbeitsplatz dann nicht mehr die wichtigste Institution wäre, mit der man in Wechselwirkung tritt. Die grundsätzliche Teilhabe an der Gesellschaft – wie auch die Möglichkeit, sich ihr ohne Existenzverlust entziehen zu können – sind essentielle Aspekte, die für ein bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen sprechen.

Die Denkweise, dass sich jede arbeitsfähige Person dem Arbeitsmarkt unterordnen muss, wird ersetzt. Die Schaffung von Möglichkeiten dafür, Beiträge für die und in der Gesellschaft zu leisten, rückt ins Zentrum der politischen Debatte. Es geht um einen Paradigmenwechsel: Zentral ist nicht mehr, wie viele Freizeitmöglichkeiten man sich individuell am Arbeitsmarkt erkämpfen kann. Vielmehr geht es darum, dass Arbeit auch wirklich sinnstiftend wirkt. Wer so naiv ist, zu glauben, ein BGE erledige alles, erledigt damit auch eine Diskussion rund um das BGE. An der Debatte der Verteilungsgerechtigkeit kommen wir damit nicht vorbei – die Voraussetzungen dafür sind aber weit bessere.
 

CONTRA Grundeinkommen

KNAPP VORBEI IST AUCH DANEBEN.

Menschen sollen die Möglichkeit haben, ein eigenständiges Leben abseits des kapitalistisch-reproduktiven Erwerbszwanges zu gestalten: So die Hauptidee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). So richtig dieser Anspruch auch ist, so wenig wird ihm das Grundeinkommen gerecht. Es mag stimmen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Theorie einen Beitrag zur Abschaffung der warenproduzierenden Wirtschaftsweise leisten kann. Tatsächlich führt ein BGE aber an der zentralen Frage vorbei: „Wem gehört aus welchen Gründen was in unserer Gesellschaft?“ Grundeinkommen-Befürworter_innen umgehen die Frage, warum nicht die gesamte Wirtschaftsleistung einer Gesellschaft gleichmäßig auf alle zu verteilen ist. Wieso sollte es überhaupt gerechtfertigt sein, dass es Leute gibt, die mehr verdienen als andere? Es würde finanziell schlechter gestellten Menschen für die eigenständige Gestaltung des eigenen Lebensentwurfes zwar neue Möglichkeiten eröffnen, jedoch wären diese ebenfalls nur begrenzt.

Der Betrag, den man durch ein BGE umverteilen würde, stellt nur einen Bruchteil des gesamten zur Verfügung stehenden Vermögens einer Volkswirtschaft dar. Die Super-Vermögen und Super-Einkommen – und damit einhergehende wirtschaftliche und realpolitische Macht – würden auch nach dessen Einführung weiterhin zirkulieren. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das allen unabhängig von ihrer materiellen Ausstattung denselben Betrag zuspricht, widerspricht dem Grundgedanken eines progressiven Steuersystems nach dem Leistungsprinzip. Während hier diejenigen, die materiell mehr beitragen können, auch höhere Steuern zu zahlen haben, verringert sich der Betrag bei jenen, die es nicht können. Diesen Grundmechanismus gilt es auch auf staatliche Zuwendungen umzulegen, wenn man schon nicht die oben genannte Grundsatzfrage thematisieren will. Wieso sollte der Staat aus den Steuergeldern aller auch jenen einen Beitrag leisten, die aufgrund von FreundInnenwirtschaft und Erbschaften ohnehin leben wie Gott in Frankreich? Von grundlegender Umverteilung kann also keine Rede sein.

 

AutorInnen: Klaus Baumgartner, Gerhard Öller